Samstag, 12. August 2023

Buchrezension: Wendy Holden - Teatime mit Lilibet

Inhalt:

England, 1932: Im Alter von 22 Jahren wird Marion Crawford die Lehrerin von Prinzessin Elisabeth und ihrer Schwester Margaret. Als Marion ihre Stelle im englischen Königshaus antritt, ist sie schockiert. Das Leben im Schloss hat nichts mit der Realität zu tun. Vor allem Lilibet, die zukünftige Königin, wächst Marion ans Herz. Als überzeugte Sozialistin macht Marion es sich zur Aufgabe, Lilibet das echte Leben zu zeigen. Sie fährt mit ihr U-Bahn und Bus, geht in öffentliche Schwimmbäder und macht Weihnachtseinkäufe bei Woolworth’s. Ihr Einfluss auf die zukünftige Queen ist gewaltig. Doch Marion ahnt nicht, wie sehr sich auch ihr eigenes Leben durch die Royals verändern wird. 

Rezension: 

Marion Crawford ist Lehrerin und lebt mit Anfang 20 in Edinburgh bei ihrer Mutter. Sie engagiert sich für die Armen, unterrichtet auch ehrenamtlich und möchte sich auch zukünftig um die Kindern in den Slums bemühen, um ihnen mit Bildung ein besseres Leben zu ermöglichen. 
Als Marion das Angebot erhält, als Gouvernante für die königlichen Kinder in England zu arbeiten, möchte sie deshalb ablehnen, lässt sich jedoch von ihrer Schuldirektorin überreden, da sie auch dort etwas bewirken könne. So nimmt sich Marion vor, der wohl behüteten stets in Rüschen gekleideten Elizabeth das echte Leben zu zeigen, unterrichtet sie nicht nur, sondern macht mit ihr Ausflüge in die Stadt, fährt U-Bahn oder geht mit ihr ins Kino. Lilibet blüht dabei regelrecht auf, legt ihr Zwangsverhalten ab und begeistern mit ihrer offenherzigen Art die Bevölkerung. 
Marion, die oft nur über ihre Arbeitgeber und die gesamte königliche Familie staunen kann, möchte ihre Anstellung mehrfach aufgeben, da sie sich stets im Zwiespalt zwischen Arm und Reich befindet, in Bezug auf ihren Unterricht anfangs Kämpfe ausfechten muss und persönlich an Einsamkeit im königlichen Haushalt leidet, ist sie doch weder ein Mitglied der Familie noch hat sie die Möglichkeit, Freundschaften zu pflegen oder die Liebe auf der anderen Seite zu finden. 

"Teatime mit Lilibet" schildert die Kindheit und Jugend der zukünftigen Queen aus der Sicht ihrer treuen Gouvernante Marion Crawford, die sie sechzehn Jahre begleitete, unterrichtete und als Ersatzmutter fungierte. Die Erzählung wirkt dabei so offen und ehrlich, mit einer Hingabe für die jungen Prinzessinnen und mit Respekt, aber auch einem mutigen Eintreten für ihre Vorstellungen und Werte im Hinblick auf die Erziehung der Kinder, dass man als Leser das Gefühl erhält, einen exklusiven Blick hinter die Kulissen der Schlossmauern zu bekommen. Selbst wenn man skeptisch in Bezug auf Königshäuser und die Monarchie ist, wirken die Royals mit ihren Macken, ihrem mal bodenständigen Verhalten und nüchternem Blick auf die Welt und ihrem dann wieder weltfremden Ansichten sehr nahbar. 
Die wiedergegebenen Dialoge zwischen den jungen Schwestern, wie Elizabeth Margaret die Welt erklärt und die Schilderungen der Persönlichkeiten der Prinzessinnen - der vernünftigen Elizabeth und der Rabaukin Margaret zeugen von der Fürsorge und Liebe Marions für ihre Schützlinge.  

Neben Einblicken in den Alltag der zukünftigen Königinnen und Könige ist die auf realen Hintergründen basierende Geschichte anschaulich in den historischen Kontext eingebettet. Armut, Wirtschaftskrise, Aufstände und die Vorboten und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges runden die Geschichte um die Erziehung der Prinzessinnen ab. 

Wenn man nicht ganz so vertraut mit den familiären Strukturen der Royals der 1930er-Jahre ist, überfordert die Anzahl der Personen, Titel und zum Teil unterschiedlichen Namen ein wenig, weshalb ein abgedruckter Stammbaum im Buch hilfreich wäre. 

Die Mischung aus Familienleben im Königshaus, politischer (Welt-)lage und den persönlichen Zweifeln Marions macht die Geschichte trotz einzelner Längen bei Schilderungen des königlichen Alltags abwechslungsreich und rund.
Als lebendige Romanbiografie ist "Teatime mit Lilibet" eine Hommage an Marion Crawford, die das Leben der zukünftigen Queen positiv beeinflusst und mit Sicherheit ein Stück menschlicher hat werden lassen, die jedoch nach der Veröffentlichung des Buches "Die kleinen Prinzessinnen" von der königlichen Familie regelrecht geächtet wurde. 
Trotz der im Nachhinein undankbaren Haltung gegenüber Marion Crawford, wirft das Buch einen positiven Blick auf die Königsfamilie, die ihre Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt und ungeachtet aller menschlichen Züge aber eben aus den Standesschranken nicht ausbrechen kann - mit allen Vor- und Nachteilen, die sich aus den Privilegien ergeben.  

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