Freitag, 11. August 2023

Buchrezension: Theresa Prammer - Auf dem Wasser treiben

Inhalt:

Jede von Stefans Beziehungen scheitert. Die Frauen verlassen ihn entnervt, weil er nie spricht. Schon gar nicht über die große Leere, die seit dem Weggang seines Vaters in ihm ist. Stefan war erst acht, als nach einem Tag an der Donau seine Familie auseinanderbrach. Jetzt weiß er nicht, wie er auf die Frau zugehen soll, die er bewundert. Als seine Mutter Hannah von ihrer Geburtstagsfeier wegläuft und unauffindbar bleibt, ist das für ihn der nächste Schlag. Gibt es für Beziehungen ein Geheimnis, das er nicht kennt? Stefan beginnt nach Hannah zu suchen, der Gedanke, noch jemanden zu verlieren, ist für ihn unerträglich. Es ist auch eine Suche danach, was Menschen verbindet und zusammenhält. 

Rezension: 

An ihrem 55. Geburtstag wird Hannah von ihrem Ehemann mit einer Gartenparty mit 55 Gästen überrascht. In einem Gast glaubt sie John erkannt zu haben. John, der Vater ihrer drei Kinder, der die Familie vor 23 Jahren verlassen hatte. Hannah verschwindet noch am selben Abend spurlos. Ihre Kinder Fred, Emma und Stefan machen sich Sorgen und gehen von einem Zusammenbruch aus, denn Johns Verschwinden hatte Hannah damals schwer getroffen. Doch John ist schon lange verstorben, weshalb sie nicht begreifen, was Hannah jetzt auf einmal klären möchte. 
Neben der Sorge um die Mutter sind vor allem Stefan und Emma mit eigenen Problemen beschäftigt. Stefan versteht nicht, warum keine Beziehung von ihm hält und warum ihn alle geliebte Menschen verlassen. Emma hat ihre Scheidung nicht verwunden und denkt immer noch an ihren Exmann Georg, der inzwischen wieder verheiratet ist und eine Tochter hat. 

Der Roman ist aus unterschiedlichen Perspektiven der handelnden Personen geschrieben, wobei der Schwerpunkt auf den beiden Geschwistern Stefan und Emma liegt. Beide sind auf ihre Weise einsam, verbergen jedoch ihre wahren Gefühle. Geheimnisse und Schweigen prägen seit Jahren die Familie, beginnend beim Vater, der die Familie wegen eines Geheimnisses verlässt bis zur Mutter, die viel zu lange an einer Lebenslüge festhält. Beide tun dies unabhängig voneinander mit guten Absichten, um ihre Kinder zu schützen und vor Schmerzen zu bewahren.

Die Geheimnisse werden im Verlauf der Geschichte, die sich nur über wenige Tage erstreckt, allmählich gelüftet, offenbaren allerdings keine großen Überraschungen, denn durch die Perspektivwechsel erhält man schon frühzeitig eine Ahnung über den weiteren Handlungsverlauf. Auch ohne weitreichende Wendungen ist der Roman durch die tiefen Einblicke in die Gefühlswelt der Hauptfiguren abwechslungsreich und berührend. Neben der Aufdeckung der Wahrheit über das Verschwinden der Mutter und des Tods des Vaters ist eindringlich geschildert, wie die Familie wieder zusammenfindet und wie vor allem die Geschwister, die sich voneinander entfremdet hatten, wieder eine Verbindung finden und sich damit auch aus ihrer Einsamkeit befreien können. Die Symbolik des Wassers und die enge Verbundenheit der Protonen zieht sich dabei wie ein roter Faden durch den Roman und macht die Geschichte, die mit einem Fall ins Wasser, der so viel auslöste, beginnt und mit einem gemeinschaftlichen Baden der Geschwister in der Donau endet, rund.

"Auf dem Wasser treiben" ist eine melancholische Familiengeschichte über verpasste Chancen, die Sehnsucht nach Verbindungen, Schuld und Versöhnung, die empathisch geschildert ist und zeigt, welche Auswirkungen Erlebnisse aus der Kindheit auf das weitere Leben haben können. Dabei ist erhebend zu sehen, wie die Familie durch ihr unfreiwilliges Abenteuer zusammenfindet und sich jeder einzelne mit seiner Situation versöhnen kann.

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