Samstag, 21. September 2019

Buchrezension: Mick Kitson - Sal

Inhalt: 

Sal ist 13, und sie weiß, wie man ein Kaninchen abzieht, ein Feuer macht und einen Unterstand baut, schließlich hat sie sich genug YouTube-Videos angeschaut und die Flucht in die Wildnis von langer Hand geplant. Jetzt muss sie zeigen, dass sie sich und ihre kleine Schwester Peppa durchbringen kann.

Sal ist zwar selbst noch ein Kind, doch als ihre kleine Schwester Peppa zehn Jahre alt wird, weiß sie genau, was sie tun muss: Sie muss sie vor dem Freund ihrer Mutter schützen, denn in diesem Alter hat es bei ihr angefangen. Ein Jahr hat sich Sal auf die Flucht vorbereitet, und nun versteckt sie sich mit ihrer kleinen Schwester Peppa bestens ausgerüstet im Wald. Die Einzige, die weiß, wo sie sind, ist die Deutsche Ingrid, die ebenfalls in der Natur lebt. Doch wer sagt, dass Hexen immer böse sind? 


Rezension: 

Die 13-jährige Sal flieht mit ihrer jüngeren Halbschwester Peppa in die Wildnis, um sie vor den angedrohten Übergriffen ihres Stiefvaters Robert zu schützen. Die Mutter Claire ist Alkoholikerin und von den Drogen Roberts abhängig und hat schon vor Jahren die Verantwortung für Peppa ihrer älteren Tochter überlassen. 
Vorausschauend hat die kluge Sal seit Monaten die Flucht vorbereitet, kennt sich mit Flora und Fauna in den schottischen Wäldern und der Jagd aus und hofft, dass sie dort niemand finden wird. Ihre größte Angst ist, von den Behörden von ihrer kleinen Schwester getrennt zu werden. 

Der Roman ist aus der Sicht der 13-jährigen Sal geschrieben, die für ihr Alter jedoch viel reifer wirkt. Nüchtern beschreibt sie rückblickend die Situation zu Hause und wie es ihr gelungen ist, fast unbemerkt zu verschwinden. 
Das Leben im Wald liest sich wie ein Handbuch zum Survivaltraining. Sehr detailliert werden Jagd, Feuer machen oder Bau einer Hütte beschrieben sowie Sals Wissen über ihre Beute und das Überleben in der Wildnis vermittelt. Sehr anschaulich kann man sich damit in die Situation der beiden jungen Mädchen versetzen, was aber in dem Umfang auch etwas langatmig ist. Das Motiv für ihre verzweifelte Flucht gerät damit etwas in den Hintergrund.

Mit dem Kennenlernen von Ingrid, einer Frau, die wie die Mädchen im Wald lebt und den Eindruck einer liebenswerten "Hexe" macht, nahm der Roman eine etwas andere Richtung. Während ich zunächst noch dachte, bei Ingrid handle es sich um eine Einbildung der beiden Mädchen, um das Leben in der Wildnis mit der Unterstützung einer Erwachsenen erträglicher zu machen, nimmt Ingrid als Figur im weiteren Verlauf so viel Raum ein, dass sie auch für mich real wurde. Sie berichtet den Mädchen aus ihrem Leben, ihrer Flucht aus der ehemaligen DDR und ihrer Hippievergangenheit in London, was ich neben den wiederholten Beschreibungen von Feuermachen und Beutejagd etwas ermüdend fand. Darüber hinaus fand ich die Situation, die ein Leben im Wald bei Eiseskälte, abgeschottet von der Zivilisation, als so einfach durchführbar dargestellt, nicht mehr realistisch. Als Traum von Kindern, ja, aber als Lebenswirklichkeit einer 75-jährigen Frau?

Das Überleben in der Wildnis im Oktober ist hart und gefährlich und man mag sich deshalb gar nicht vorstellen, was vor allem Sal erlebt und mitgemacht haben muss, damit sie sich frei für ein derartiges Leben entscheidet und wie ausweg- und perspektivlos die Situation für sie war. Genauso erschütternd ist die Verzweiflungstat, die sie vor ihrer Flucht scheinbar emotionslos begangen hat. 
Dennoch blieb mir der Roman zu oberflächlich bzw. setzte der Autor für mich die falschen Prioritäten. Während der reine Überlebenskampf in den schottischen Wäldern mit kaltblütigen Tötungen von Tieren durch Sal sowie Ingrid als neue Mutterfigur sehr detailliert beschrieben wurden, fand kaum eine Aufarbeitung der Erlebnisse oder zumindest eine Auseinandersetzung mit den schrecklichen Ereignissen durch die beiden Mädchen statt. Auch das Ende und die Perspektive für die Schwestern war mir im Vergleich dazu zu knapp gehalten. 

"Sal" ist ein abenteuerlicher Roman über zwei mutige Mädchen vor dem Hintergrund eines erschütternden Familiendramas und ein bewegendes Buch über eine grenzenlose Geschwisterliebe. Der Plot hatte jedoch Potential für mehr. Insbesondere die ambivalente Persönlichkeit von Sal sowie die Rolle der leiblichen Mutter hätten noch mehr Möglichkeiten zur Entfaltung des Romans gegeben. 



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