Inhalt:
Das Leben könnte so einfach sein. Wäre es manchmal nicht so verdammt schwer. Jana schläft am liebsten unter dem Bett. Collin friert gerne. Jana wünscht sich vertraute Menschen um sich herum. Collin möchte mit anderen Leuten nichts zu tun haben. Auf Sylt begegnen sich die beiden in einem Wohnprojekt und leben für die nächsten zwei Jahre Zimmer an Zimmer. Da ist eine Mauer, die sie trennt. Und eine Tür, die sie verbindet.
Rezension:
Jana ist 19 Jahre alt und gerade nach Westerland auf Sylt gezogen, um dort eine Ausbildung als Bauzeichnerin zu beginnen. Am Bahnhof wurde sie von ihrer neuen Psychotherapeutin Dr. Thea Flick abgeholt, die Jana ihr neues Zuhause, eine Art betreute Wohngemeinschaft, bringt. Das Ehepaar Völkner nimmt "besondere" Jugendliche und Heranwachsende bei sich auf, die im Leben Hilfe benötigen und dort eine zweite Chance bekommen, um nicht (weiter) abzudriften. Vier Jugendliche im Alter bis 23 Jahren wohnen bei den Völkners und absolvieren jeweils eine Ausbildung in deren Architekturbüro.
Jana fühlt sich in ihrer Ersatzfamilie zwar wohler als in ihrer letzten Einrichtung in Hannover, ist aber dennoch sehr still, ängstlich und hält sich im Umgang mit den anderen Jugendlichen zurück. Gegenüber Anke und Klaas Völkner hat sie geradezu ein schlechtes Gewissen, dass sie so bedingungslos und liebevoll aufgenommen wird, In der Berufsschule sind ihr zu viele Menschen und als Auszubildende hat sie Angst, Fehler zu machen. Auch in den Therapiesitzungen, in denen die unkonventionelle Thea Flick Jana vermitteln möchte, wieder Freude am Leben zu finden und aus sich herauszugehen, ist Jana sehr verschlossen.
Sie fühlt sich nur geborgen, wenn sie heimlich versteckt unter dem Bett schlafen kann und zieht sich ansonsten am liebsten allein an den Strand zurück, wo sie ihren Gedanken nachhängt. Dort wird sie neugierig auf ihren Mitbewohner Collin, der bereits im dritten Lehrjahr als Bauzeichner ist, sich von den anderen abschottet und nur mit Klaas zu kommunizieren scheint. Er zieht sich ans Meer zurück, um zu zeichnen.
Ganz langsam kommen die beiden sich näher und helfen sich dabei gegenseitig, aus ihrer Melancholie herauszufinden.
Der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Jana geschrieben, weshalb man als Leser einen guten Einblick in die Sorgen und Nöte erhält, die sie im Augenblick bewegen. Lange bleibt im Verborgenen, aus welchem Grund Jana Patientin bei Thea Flick ist und was sie in der Vergangenheit durchgemacht haben mag. Man erfährt zunächst nur, dass ihre Mutter schon früh an einer unheilbaren Form der Demenz erkrankt ist.
Die offenen Fragen, die sich zwangsläufig beim Lesen ergeben, werden erst gegen Ende des Romans gelöst, weshalb trotz der Ruhe und Melancholie der Handlung Spannung aufgebaut wird und man als Leser unbedingt mehr von Jana, aber auch von den anderen Protagonisten erfahren möchte.
Währenddessen zeichnet sich durch die Annäherung zwischen Jana und Collin eine zarte Liebesgeschichte ab, wobei diese nicht vergleichbar mit Emelys und Elyas Romanze aus "Kirschroter Sommer" bzw. "Türkisgrüner Winter" ist. Es fehlen die Leidenschaft und die tiefen Gefühle, die überspringen und den Leser fesseln könnten.
"Nachtblumen" ist ein sehr feinfühliger Roman, der überwiegend vom Seelenleben der lange so traurig un hilfsbedürftig wirkenden Jana handelt, die gar nicht den Eindruck erweckt, schon 19 Jahre alt zu sein, das es zu ergründen gilt. Wer vom lang ersehnten Nachfolger der beiden Bestseller von Carina Bartsch einen (Liebes-)roman mit einer aufregenden Handlung oder sich überschlagenden Ereignissen erwartet, wird insofern enttäuscht sein.
Mir hat dieser berührende Roman dennoch - vor allem aufgrund des sehr sensiblen und bildhaften Schreibstils der Autorin - gut gefallen und zu keinem Zeitpunkt gelangweilt, auch wen die rein äußerliche Handlung überschaubar ist und mir zwischen Jana und Collin das Prickeln gefehlt hat.
Im Hinblick auf die Therapie und Janas Gesundung blieb mir die Geschichte zu sehr an der Oberfläche, um das Handeln der Protagonisten und die Weiterentwicklung von Jana nachvollziehen zu können. Wie Jana und Collin am Ende dann doch noch zueinander finden, fand ich im Gegensatz zum Rest der Geschichte nicht ganz so authentisch.
Nichtsdestotrotz ist "Nachtblumen" eine berührende Geschichte, die Hoffnung macht und zeigt, dass man die Dämonen der Vergangenheit bezwingen kann und auf eine positive Zukunft vertrauen darf, wenn man nur bereit ist, Hilfe anzunehmen und zuzulassen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen