Freitag, 28. Februar 2025

Buchrezension: Sharon Bolton - Winternacht: Der Schnee begräbt alles. Nur die Lügen nicht.

Inhalt:

Olive Anderson hat die Frau noch nie gesehen, die sich in einer kalten Winternacht ungefragt an ihren Tisch im Restaurant setzt. Dem Kellner gegenüber behauptet die Fremde, mit ihr verheiratet zu sein. In Wahrheit ist Olive die Gattin eines angesehenen Politikers, doch ihre Ehe mit Michael Anderson hat sich bereits nach einem halben Jahr in einen Albtraum verwandelt. In ihrer Einsamkeit lässt Olive sich auf ein Gespräch mit der Unbekannten ein. Und die scheint einige Geheimnisse aus Michaels Vergangenheit zu kennen. Zum Beispiel, dass in seinem Umfeld schon mehrere Frauen verschwunden sind. Und Olive könnte die Nächste sein. 

Rezension: 

Olive Anderson ist alleine in einem Hotelrestaurant, als sich eine Fremde an ihren Tisch setzt und vorgibt, ihre Ehefrau zu sein. Olive, die seit sechs Monaten unglücklich mit dem bekannten Abgeordneten Michael Anderson verheiratet ist, lässt sich auf das Spiel ein. Die Fremde scheint ihren Ehemann besser zu kennen und behauptet zudem, dass Michael seine erste Ehefrau getötet habe.
Am nächsten Morgen meldet Michael Olive als vermisst und Detective Sergeant Alexandra Thomas und der Verkehrspolizist Garry Mizon ermitteln in dem Fall, während die übrigen Einheiten mit einem OK-Fall um den berüchtigten Verbrecher Howie Trick befasst sind.
Die Spurensuche nach Olive führt zu einer weiteren verschwundenen Frau aus dem Umfeld von Anderson, was den Labour-Politiker zunehmend verdächtig erscheinen lässt.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und beschreibt in der Gegenwart die Ermittlungen der Polizei nach dem mysteriösen Verschwinden Olives, während die Vergangenheit in das Leben von Olive als Krankenschwester und ehemaliger Armeeangehöriger blicken lässt.
Auch wenn es logische Parallelen zwischen beiden Zeitebenen gibt und immer mehr Details zutage kommen, in welchem Zusammenhang die einzelnen Personen zu einander stehen, bleibt die Rolle des Abgeordneten Anderson undurchsichtig. Lange ist es reine Spekulation, ob er tatsächlich ein Interesse am Verschwinden seiner Frauen hat und sogar den Tod seiner krebskranken Ehefrau beschleunigt haben könnte. Genauso rätselhaft ist das Motiv der Fremden, die Olive verführt.

Die Geschichte handelt im tiefsten Winter mit heftigen Schneefällen, die die Polizeiarbeit erschweren. Die Ermittlungen des ungleichen Duos sind unorthodox und wirken wie Recherchen von Hobby-Detektiven nach Feierabend. Die junge Sergeant ermittelt eigenmächtig und wird dabei von einem Verkehrspolizisten unterstützt, der sich selbst als Sonderling bezeichnet und nur aufgrund der Familientradition die Polizeilaufbahn eingeschlagen hat. Der Fall interessiert ihn jedoch persönlich und darüber hinaus hat er sich in seine Vorgesetzte verliebt, weshalb er außerhalb seiner Dienstzeiten agiert

Spannung ist unterschwellig vorhanden, während Olives Schicksal und vor allem die Motivation der fremden Frau ungewiss ist. "Winternacht" ist eine unblutige Geschichte, die nur wenig Thrill entfaltet und allenfalls als eigenwilliger Krimi zu bezeichnen ist.
Auch wenn man neugierig ist, wie alle losen Fäden zusammenhängen, wird die Geschichte nach einem starken und spannenden Beginn durch zu viele unnötige Details zunehmend verworren und langatmig. Das Motiv um Machtmissbrauch, Sex und Eifersucht ist speziell und effekthascherisch und lässt die ganze Geschichte arg konstruiert aussehen. Die Auflösung ergibt sich dann recht plötzlich und das Ende ist zu romantisierend und hat mit einem Thriller gar nichts mehr zu tun.

Mittwoch, 26. Februar 2025

Buchrezension: Julie Caplin - Die kleine Villa in Italien (Romantic Escapes, Band 11)

Inhalt:

Lia Bathurst braucht dringend eine Auszeit. Privat und beruflich steckt die Künstlerin in einer Sackgasse - warum also nicht den Sommer an der Amalfiküste verbringen? Schon lange träumt Lia davon, die weißen Sandstrände, das türkisblaue Meer und die italienische Küche zu genießen. Aber niemals hätte sie geglaubt, dass sie hier auch auf die Spuren ihres leiblichen Vaters Ernesto stoßen könnte. Ein Vater, von dem sie bis vor ein paar Wochen überhaupt nichts wusste! Und nun steht sie vor den Toren seiner hübschen Villa und hofft, endlich mehr über ihre Wurzeln zu erfahren. Wenn da nur nicht Ernestos unausstehlicher Manager wäre. Raphael hält Lia für eine Erbschleicherin und ist entschlossen, sie zu entlarven. Selbst wenn das bedeutet, dass er sie nicht mehr aus den Augen lassen darf und die beiden sich immer näherkommen. 

Rezension: 

Lia hat vor Kurzem durch einen Zufall erfahren, dass ihr Vater nicht ihr leiblicher Vater ist. Ihre Mutter erzählte ihr sodann von einer kurzen Romanze mit einem Italiener, der Schauspieler in Hollywood geworden ist. Lia möchte Ernesto kennenlernen und reist dafür an die Amalfiküste nach Italien, wo er die Sommer mit seiner Familie verbringt. Zuvor hatte Lia versucht, ihren Vater über sein Management zu kontaktieren, war jedoch an Raphael Knight gescheitert.
In Italien stellt sich heraus, dass Raph Ernestos Stiefsohn ist und Lia für eine der vielen Betrügerinnen hält, die behaupten, ein uneheliches Kind Ernestos zu sein. Unerwartet herzlich wird Lia jedoch von Ernesto und seiner Familie aufgenommen und in eine der Gästesuiten der Villa eingeladen. Während Lia Zeit mit der quirligen Patchworkfamilie verbringt und das Flair Italiens genießt, kann sie Raph nicht ausweichen, gegen dessen Misstrauen sie sich zur Wehr setzen muss.

"Die kleine Villa in Italien" ist Band 11 der Reihe "Romantic Escapes" und als eigene Geschichte unabhängig von den Teilen davor zu lesen.

Lia ist in Italien, um nicht nur ihren fremden Vater kennenzulernen, sondern auch um Inspiration für ihre Kunst und den Auftrag eines italienischen Restaurants in London zu erhalten. Sie trifft dort auf eine reiche, aber dennoch sehr bodenständige Familie, die sie warmherzig willkommen heißt. Für Lia ist der Kontrast enorm, denn sie war verletzt von der Lüge ihrer Mutter über ihre Herkunft überstürzt abgereist, fühlt sich entwurzelt und leer. Sie spürt mehr den Verlust der gewohnten Familie, als den Zugewinn einer neuen. Ihre Sehnsucht nach Zugehörigkeit ist groß und dir Gastfreundschaft der Salvatores macht es ihr leicht, auch wenn sie sich zunächst vor Raph behaupten muss, der einen ausgeprägten Beschützerinstinkt hat. Die Spannung zwischen den beiden lässt unter der Sonne Italiens jedoch bald die Funken sprühen.

Die Geschichte erfüllt als "romantische Auszeit" die Erwartung der Reihe. Sie vermittelt Leichtigkeit und Urlaubsstimmung und durch die anschaulichen Beschreibungen hat man sonnige Bilder im Kopf und den Duft von frischer Pasta, Zitronen oder dem salzigen Meer in der Nase.
Auch wenn Lia sich verraten fühlt, unter der Lebenslüge über ihre Wurzeln leidet und auf Distanz zu ihrer Primärfamilie geht, ist die Stimmung nicht betrüblich und die Geschichte wenig anspruchsvoll oder tiefsinnig. Im Vordergrund stehen neben den Flirts und plumpen Kuppelversuchen von Raphs Mutter vor allem die Atmosphäre und der Genuss. Der Roman liest sich über weite Teile wie ein kulinarischer Reisebericht, führt durch Zitronenhaine zur Weltstadt des Thunfischs bis zur besten Pizza in Neapel. Es wird gekocht, gegessen und die Highlights der Amalfiküste entdeckt. 

Die Geschichte ist abwechslungsreich, lebendig und hat auch dank der liebenswerten Charaktere ihren Charme, ist als reine sommerliche Unterhaltungslektüre allerdings wenig feinfühlig oder emotional. Die eigentlichen Probleme der Identitätskrise, der verletzten Gefühle und des Misstrauens, mit denen sich die Hauptfiguren Lia und Raph konfrontiert sehen, treten für Liebe und Flair in den Hintergrund. 

Am Ende gibt es einen Hinweis auf Band 12 der Reihe, die mit Raphs jüngerem Bruder Leo in Prag fortgesetzt werden wird. 

Montag, 24. Februar 2025

Buchrezension: Bela B. Felsenheimer - Fun

Inhalt:

"Die Band mag manchmal ungehobelt sein und das Festhalten an den Sex-Drugs-und-Rock-'n'-Roll-Riten aus der Zeit gefallen, aber Miriam ist sich sicher, Fox, Maler und die anderen sind viel zu sehr auf das große Ganze fokussiert, um alles für ein bisschen Fun aufs Spiel zu setzen. Oder? Ein bisschen Fun, der manchmal etwas aus dem Ruder läuft, mehr nicht. "

Ein großer Gesellschaftsroman über das Geschäft mit Macht, Ruhm und Fame, über Scham, Schuld und Gerechtigkeit - und über diejenigen, die den Preis dafür zahlen, dass der Spaß für andere grenzenlos ist. 

Rezension:

"Fun" handelt von einer Woche im Leben der fiktiven Band nbl/nbl, die nach skandalträchtigen Schlagzeilen und einer Strafanzeige gegen einen Teil der Mitglieder und Crew vor drei großen Open Air-Konzerten in der Provinz steht.
Ex-Groupie Liane nutzt das Wochenende für einen Ausflug mit ihren Freundinnen an die Müritz, um ein Wiedersehen mit der Band zu verhindern. Knapp 200 Kilometer entfernt, beschleicht sie allerdings das ungute Gefühl, dass ihre Tochter entgegen ihrer Aussage eines der Konzerte besuchen könnte. Währenddessen ahnt sie nicht, wozu ihr Mann das freie Wochenende nutzen möchte.
Die Band lässt sich vor und hinter der Bühne feiern - bis die Polizei mit einem Haftbefehl backstage erscheint.

"Fun" ist trotz des Titels weniger amüsant und skurril als Bela B.s Debütroman "Scharnow", aber dennoch eine unterhaltsame und turbulente Geschichte.

Kurze Kapitel und stetig wechselnde Perspektiven sorgen für Einblicke in die einzelnen Mitglieder der Band, Security und Tourmanagement sowie in das Leben von Liane und ihrer Familie, die dem Sänger der Band in der Vergangenheit zu nah gekommen war und gegenwärtig in Sorge um ihre Tochter ist.

Wo die Geschichte hinführt, ist leicht zu erahnen, da die Charaktere übertrieben eindimensional karikiert sind. Insbesondere Männer bekommen ihr Fett weg, werden als stumpfsinnig und triebgesteuert dargestellt. Selbst der Familienvater gibt hier kein besseres Beispiel ab, als die berühmten Musiker, von denen man das erwarten würde. Sex, Drugs und ein wenig Rock'n'Roll bestimmen das Geschehen. Es geht um toxische Männlichkeit und sexuelle Übergriffe, mit denen sich Frauen, die als Subjekt degradiert werden, konfrontiert sehen. 

Der Roman bietet darüber einen Blick hinter die Kulissen einer deutschen Rockband alternder Musiker zwischen Machtkämpfen, internen Spannungen, Erfolgsdruck, Selbstüberschätzung und Hedonismus. 

Auch wenn die fiktive Geschichte sicher von realen Ereignissen inspiriert ist, ist "Fun" mit der Summe an frauenfeindlichen und sich selbst überschätzenden Männern etwas einseitig geraten. Spannend und passend mit dem typischen Branchenslang ist dennoch zu lesen, wie dem "Fun" des starken Geschlechts Grenzen gesetzt werden. 

Freitag, 21. Februar 2025

Buchrezension: Jack Jordan - Die Schlafwandlerin

Inhalt:

Neve Harper ist die beste Strafverteidigerin Londons, und ehrgeizig noch dazu. Sie ist ein echter Glücksfall für den Geschäftsmann Wade Darling, dem vorgeworfen wird, seine Frau und die beiden Kinder im Schlaf ermordet zu haben. Die Indizien sprechen gegen Wade, trotzdem ist die ehrgeizige Anwältin überzeugt, seine Unschuld beweisen zu können. 
Kurz vor Prozessbeginn erhält die Anwältin jedoch eine unmissverständliche Botschaft: Wenn sie nicht will, dass ihr dunkelstes Geheimnis ans Licht kommt, muss sie Wades Fall verlieren. Für Neve steht bald alles auf dem Spiel – ihre Karriere, ihre Freiheit und die Sicherheit ihrer Stieftochter Hannah. Kann sie ihren Mandanten und ihr berufliches Ethos verraten, einen möglicherweise Unschuldigen ins Gefängnis bringen, um sich und Hannah zu schützen? 

Rezension: 

Wenige Tage vor Beginn des von der Presse lang ersehnten Prozesses wird Neve Harper mit der Verteidigung von Wade Darling beauftragt. Der unter Depressionen leidende Waffennarr soll seine Frau und seine beiden Kinder erschossen und das gemeinsame Haus in Brand gesetzt haben.
Auch wenn alle Indizien gegen Wade sprechen, sieht sich Neve in ihrem Ehrgeiz gepackt und findet eine Möglichkeit, Zweifel an der Schuld des Angeklagten zu sähen. Da tritt ein Bote auf sie zu und zwingt sie, den Fall zu verlieren, andernfalls würde ihre Stieftochter getötet. Neve kann sich nicht wehren, da er die Wahrheit über das Verschwinden ihres Ehemanns kennt, das sie zutiefst belastet.

"Die Schlafwandlerin" handelt von einem ähnlichen Szenario wie schon "Die Herzchirurgin", in dem eine Ärztin erpresst wird, einen ihrer Patienten sterben zu lassen. In beiden Fällen steht das Leben eines Kindes auf dem Spiel.

Der Roman wird aus der Ich-Perspektive von Rechtsanwältin Neve geschildert, die ein dunkles Geheimnis hat, das sie nachts um den Schlaf bringt. Damit werden Zweifel an der Integrität der Hauptfigur geschürt, die bisher als erfolgreiche Strafverteidigerin bekannt ist.

Der Thriller ist durchgehend spannend und abwechslungsreich und dreht sich nicht ausschließlich darum, wie Neves moralisches Dilemma zu lösen ist. Fraglich ist zudem, wie der Prozess gegen Wade ausgeht und ob die Schuldfrage zweifelsfrei geklärt werden kann und ob Neves schmutziges Geheimnis gewahrt werden kann und sie unbescholten davon kommen wird.

Der Schlagabtausch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung und deren kluger Argumentationskampf vor Gericht fesseln auch durch die Einbeziehung neuer Beweise und die Verhöre der Zeugen.
Daneben leistet Neve schier Unglaubliches, um ihr Geheimnis zu vertuschen. Die Nacht- und Nebelaktionen sowie die zahlreichen Hürden, mit denen sie konfrontiert wird, sind in Summe allerdings recht abenteuerlich. Ihre Gegner sind ihr stets einen Schritt voraus und man muss fassungslos dabei zusehen, wie sich Neve immer tiefer in ihren Schlamassel hineingräbt und dabei mentale und körperliche Höchstleistungen erbringt. In Erwartung einer Wende, die eine schlüssige Erklärung zur Entlastung der Heldin liefern könnte, wird man an die Seiten gefesselt. 

"Die Schlafwandlerin" ist eine packende Mischung aus Drama und Justizthriller, die zeigt, dass Recht nicht zwangsläufig mit Gerechtigkeit gleichzusetzen ist. Unbefriedigender ist jedoch die mangelnde Aufklärung der Tat und des Krankheitsbildes der Hauptfigur sowie das unerklärliche Selbstbewusstsein, das sie am Schluss begleitet. 

Mittwoch, 19. Februar 2025

Buchrezension: Anna Claire - Die Glücksfrauen: Das Geheimnis der Rosen (Die Glücksfrauen-Saga, Band 3)

Inhalt:

Deutschland, 1938: Nachdem ihre Freundin Luise Deutschland bereits verlassen hat und auch Maria weg will, stützt Anni Graf sich mehr und mehr auf ihren Verlobten Siegfried. Doch je strenger der Würgegriff der Nazis wird, umso weniger kann Anni die Augen vor der Wahrheit verschließen. Ein schrecklicher Betrug führt schließlich dazu, dass auch sie Hals über Kopf flüchten muss. 
Tansania 2024: Das Testament ihrer Großmutter Luise hat June und Sandra nach Tansania geführt. Hier finden sie Annis Enkelin Wendy und erfahren endlich mehr über Annis Flucht und die Gründung ihrer erfolgreichen Rosenfarm, die heute von Wendy geführt wird. Doch können die drei jungen Frauen auch herausfinden, welche Schuld Luise vor so vielen Jahren auf sich geladen hat, und werden sie die Wunden von damals heilen können? 

Rezension: 

Als Waise ohne Familie, nachdem ihre Freundin Luise nach Amerika geflohen ist und sich ihre Freundin Maria als Jüdin zunehmend mit den Schikanen der Nationalsozialisten konfrontiert sieht, ist Anni einsam und sehnt sich dem Heiratsantrag von Siegfried entgegen. Dieser hat jedoch immer weniger Zeit für Anni und geht immer mehr in seiner Tätigkeit für die Gestapo auf. Naiv unterstützt ihn Anni bald sogar, bevor sie sich verletzt abwendet und ihrerseits die Flucht aus Deutschland ergreift. Dabei trifft sie auf einen britischen Agenten, der ihr Potenzial erkennt.
Jahrzehnte später suchen die Enkelinnen von Luise und Maria Annis Enkelin Wendy in Tansania auf, um die letzten Rätsel der Vergangenheit zu klären und das gemeinsame Erbe in New York antreten zu können. Wendy führt die von Anni gegründete Rosenfarm, der mit den Fragen von June und Sandra bewusst wird, wie wenig sie über den Lebensweg ihrer Großmutter weiß. Von einer Massai erhalten die drei Frauen einen entscheidenden Hinweis, der sie in ihrer Recherche weiterführt. 

"Das Geheimnis der Rosen" ist nach Band 1 "Der Geschmack von Freiheit" und Band 2 "Die Kraft der Bücher" der dritte und abschließende Band der "Die Glücksfrauen-Saga". 

Erneut wird die Geschichte der Großmutter und der Enkelin auf zwei Zeitebenen erzählt. Während die Vergangenheit Erschütterndes zutage bringt, was die lange sehr naive Anni erlebt hat und wieviel Mut sie dennoch entfaltet hat, um sich gegen die Nationalsozialisten und für ein Ende des Krieges einzusetzen, ist die Erzählung um Wendy in der Gegenwart wenig ergiebig. Sehr bildhaft und lebendig sind jedoch die Eindrücke, die man von Tansania und dem Leben vor Ort erfährt. 

Durch die Berichterstattung von June und Sandra über ihre Großmütter und das, was sie gemeinsam schon erreicht haben, um sich der Vergangenheit zu nähern, werden auch dem Leser Details aus den vorangegangen Bänden in Erinnerung gerufen, so dass man sofort in der Story drin ist, auch wenn die Lektüre schon Monate zurückliegt. 

Die drei Teile der Trilogie sind stringent, aber damit auch etwas eintönig und vorhersehbar aufgebaut. Die Enkelinnen bereisen fremde Länder, lernen sich kennen, sind sich auf Anhieb sympathisch und helfen sich gegenseitig bei gegenwärtigen Problemen. Ganz nebenbei finden alle drei so auch noch eine neue Liebe. 
Im dritten Band wird mit Anni als Agentin, den Machenschaften der Gestapo und Tansania als ehemaligem Kolonialstaat sehr viel in die Geschichte gepackt, was inhaltlich nicht in die Tiefe gehen kann. 
Die Dialoge sind häufig seicht, der Erzählstil blumig und verträumt und die Gedanken der Frauen im Hinblick auf die Männer von wiederholter Bewunderung und Anhimmeln geprägt. 
Die Hürden zur Aufklärung von Annis Vergangenheit werden simpel bewältigt. Wieder sind es gefundene Briefe, die Auskunft geben, aber auch die Nacherzählung ihres Lebens durch eine dritte Person. 

Der Roman hat aber auch nicht den Anspruch an eine Spannungslektüre, sondern zeigt vielmehr die Bedeutung von Freundschaft, Loyalität, Frauensolidarität und Zivilcourage. Durch die steigende Dramatik wird in jedem Band eindrücklich deutlich, welche Gräueltaten im Dritten Reich verübt wurden - ob gegen Widerständler oder das jüdische Volk - und welche mutigen Menschen es gab, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um sich dem zu widersetzen. 

Enttäuschend ist dennoch die Auflösung von Luises Geheimnis und des Verrats, der sich seit Band 1 so rätselhaft durch die Trilogie zog und schließlich marginal verpuffte, auch wenn von vornherein ersichtlich war, dass die gute Luise mit Sicherheit nicht absichtlich etwas Böses getan haben konnte. Durch die lückenhafte Erzählung blieben für mich am Ende in Bezug auf die Vergangenheit zudem Fragen offen. 

Montag, 17. Februar 2025

Buchrezension: Alan Murrin - Coast Road

Inhalt:

Herbst 1994. Die Bewohner des irischen Küstenstädtchens Ardglas beschäftigt nur ein Thema: Colette Crowley – Dichterin, Bohemienne, die Frau, die ihre Familie verlassen hat, um in Dublin ihr Glück zu finden – ist zurück und wohnt in einem kleinen Cottage an der Coast Road. Jeder ihrer Schritte wird von der Gemeinde argwöhnisch beäugt. Hat sie es verdient, dass ihr Mann ihr den Zugang zu den Kindern verwehrt? In ihrer Verzweiflung bittet Colette eine Bekannte um Hilfe, Izzy Keaveney, Hausfrau und Mutter, unglücklich verheiratet mit einem Lokalpolitiker, der sich ausgerechnet für die Legalisierung der Scheidung im Land einsetzt. Und so entsteht zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Frauen eine Bindung, die ihre Leben in ungeahnte Bahnen lenkt. 

Rezension: 

Colette Crowley kehrt im Herbst 1994 in ihren Heimatort Ardglas in der Grafschaft Donegal in Irland zurück. Die Lyrikerin hatte ihren Ehemann und ihre Kinder für eine Affäre in Dublin verlassen. Getrennt von dem Mann möchte sie nun die Beziehung zu ihren Kindern, insbesondere dem jüngsten Sohn, intensivieren. Die Familie Mullen vermietet ihr ein Cottage in der Coast Road, da sie ein viertes Kind erwartet und die Mieteinnahmen finanziell gut gebrauchen können. 
Um selbst etwas zu verdienen, bietet Colette einen Schreibkurs an, zu dem sich auch Izzy Keaveney anmeldet, die permanent im Clinch mit ihrem Ehemann ist. Sie genießt deshalb die Gespräche mit Pfarrer Brian Dempsey, der sie mehr zu verstehen scheint. Nachdem sie sich Colette angenähert hat, hilft sie ihr dabei, ihren Sohn zu treffen, zu dem ihr ihr Mann Shaun den Zugang verweigert. 
Während in dem kleinen Ort sowohl über die verruchte Colette als auch über Izzys Beziehung zu dem Pfarrer getratscht wird, ist ein Referendum in Vorbereitung, dass die Möglichkeit einer Scheidung legalisieren soll. 

"Coast Road" handelt in den Jahren 1994/ 1995 in Irland, einem katholisch geprägten Land, in dem das Sakrament der Ehe so hochgehalten wurde, dass noch vor 30 Jahren eine Scheidung unmöglich war. 
Schon der Prolog deutet darauf hin, dass es in der Kleinstadt brodelt und die Situationen eskalieren und in Gewalt umschlagen wird. Sodann wird ein Blick zurück geworfen auf die Ankunft Colettes in Ardglas. In den Fokus der Geschichte rücken neben Colette, die von ihrem Mann getrennt lebt, zwei weitere Frauen, die unglücklich verheiratet sind. Izzy fühlt sich von ihrem Mann gegängelt, seitdem sie nicht mehr arbeiten darf und Dolores Mullen muss zusehen, wie ihr Mann sie vor aller Augen betrügt. 

Der Roman ist aus wechselnden Perspektiven verschiedener Bewohner der Kleinstadt geschildert, so dass ein Einblick in die einzelnen Haushalte, aber vor allem auch in die Gefühlswelt der Charaktere möglich ist. Die Figuren sind vielschichtig angelegt, keiner ist nur gut oder böse. 

"Coast Road" ist eine spannende Zeitreise in die 1990er-Jahre. Die Geschichte erweckt eine fiktive Kleistadt mit 1.000 Einwohnern lebendig zum Leben, in der Ort und die Personen leicht vorstellbar werden. Es zeigt eindringlich, wie Frauen, aber auch Männer, in unglücklichen Ehen gefangen sind, wobei den Frauen, die finanziell und gesellschaftlich von ihren Männern abhängig sind, die größere Not zukommt. Erschreckend ist zu sehen, dass neben der körperlichen Überlegenheit auch Kinder als Druckmittel eingesetzt werden. 

Mit feiner Beobachtungsgabe zeichnet der Autor ein Sittengemälde und entwickelt mit der steigenden Dramatik, mit Intrigen und Verzweiflung eine spannende authentische Geschichte passend zum Zeitgeist. Es zeigt die Konsequenzen auf, wenn man gegen den Strom schwimmt und einen mutigen Weg der Selbstfindung und Frauensolidarität. 

Freitag, 14. Februar 2025

Buchrezension: Sarah Crouch - Middletide: Was die Gezeiten verbergen

Inhalt:

Die Rückkehr in die kleine Küstenstadt Point Orchards im malerischen Puget Sound ist der bisherige Tiefpunkt in Elijah Leiths Leben. Vor vielen Jahren kehrte er seiner Heimat und auch seiner Jugendliebe Nakita den Rücken, um seinen großen Traum zu verwirklichen: ein erfolgreicher Schriftsteller zu werden. Doch nun steht er vor einem Scherbenhaufen. Sein verfallenes Elternhaus, umgeben von moosbewachsenen Tannen und glitzernden Wasserläufen, wird zu seinem Rückzugsort. Und zu dem Platz, an dem er sich an der wilden Küste des Pazifik ein neues Leben aufbauen muss. Als auch Nakitas Weg eine schicksalhafte Wendung nimmt, nähern sich die beiden wieder an. Elijah schöpft Hoffnung, aber schon bald droht eine grausame Entdeckung alles zu zerstören. Und er muss nicht nur für seine große Liebe, sondern auch für seine Unschuld kämpfen. 

Rezension: 

Elijah kehrt nach elf Jahren Abwesenheit in seinen Heimatort Point Orchards im Westen der USA zurück, den er mit achtzehn Jahren verlassen hatte, um seinen Traum wahr werden zu lassen, ein Buch zu schreiben. Nachdem ein Kritiker sein Buch zerrissen hatte, ist dies gefloppt und Elijah war dann nicht einmal in der Lage gewesen, das Versprechen einzulösen, zu seiner Freundin Nakita zurückzukommen. Doch das Geld ist knapp und sein Vater gestorben, weshalb er wieder in sein Elternhaus zieht und sich als Selbstversorger über Wasser hält.
Als Elijah Jahre später wieder Fuß gefasst hat und er beruflich und privat glücklich ist, wird auf seinem Grundstück eine Leiche gefunden. Die Frau wurde so getötet, wie es Elijah in seinem Thriller beschrieben hatte und er gerät unter Mordverdacht.

"Middletide" beginnt unmittelbar mit dem Leichenfund im Januar 1994 in einem Ort, wo sich sonst nur Bagatelldelikte ereignen. In der Gegenwart ermitteln Sheriff und Hilfssheriff so gut sie können, während in der Vergangenheit Elijahs Geschichte beginnend mit seinem Abschied im Jahr 1977, über seine Rückkehr im Jahr 1988 bis zu seiner Verhaftung 1994 erzählt wird.

Die Geschichte ist, geprägt von mehreren tragischen Todesfällen, die die Protagonisten auf unterschiedliche Art erschüttern, von Melancholie geprägt. Gleichzeitig ist sie aufgrund der Naturbeschreibungen und wie Elijah sein Anwesen bewirtschaftet, atmosphärisch beschrieben.

Auch wenn es sich nicht um einen klassischen Kriminalroman handelt, ist die Geschichte spannend. Es gibt nur eine Handvoll Protagonisten, weshalb auch nicht viele Täter in Frage kommen und dennoch ist es lange ungewiss, wer die junge Ärztin auf diese Weise getötet haben könnte. Mit ihrem Tagebuch drängt sich ein unglaublicher Verdacht auf, der im Rahmen des Gerichtsverfahrens seine Bestätigung findet und eine schlüssige Auflösung bietet. 

Die Mischung aus Krimihandlung und emotionalen Themen von Verlust und Trauer, Liebe und Versöhnung, Schuld und Rache sowie Kleinstadtatmosphäre und Naturschaupiel ist gelungen und erzeugt eine Sogwirkung. Aufgrund der Atmosphäre, der Zurückgezogenheit der Hauptfigur und des mysteriösen Todesfalls erinnert der Roman unweigerlich an "Der Gesang der Flusskrebse", ist aber bei Weitem kein Abklatsch, sondern entwickelt seinen eigenen Charme und Originalität. 



Mittwoch, 12. Februar 2025

Buchrezension: Iver Niklas Schwarz - Kummersee

Inhalt:

Mehr als dreißig Jahre nach dem ominösen Tod ihres Bruders im Kummersee kehrt Lena an den Ort ihrer Kindheit und ihres Traumas zurück. Als Polizistin ist sie für den Schutz eines hochumstrittenen Bauprojekts zuständig. Sie trifft auf militante Umweltaktivisten, eine verflossene Jugendliebe und düstere Familiengeheimnisse. Als plötzlich bizarre Morde geschehen, deutet alles darauf hin, dass in den Tiefen des Kummersees etwas erwacht ist. Doch wo enden die Gruselgeschichten, und wo beginnen die wirklichen Schrecken? 
Lena stürzt sich in die Ermittlungen und kommt einem ungeheuerlichen Geheimnis auf die Spur, das bis in die Zeit der Wende zurückreicht: Das Böse, das vor so vielen Jahren ihren Bruder das Leben gekostet hat, lauert immer noch unter der Wasseroberfläche – und es darf auf keinen Fall hinaus in die Welt gelangen. 

Rezension: 

Im Sommer 1990 kam Lenas älterer Bruder im Kummersee bei Horlow an der deutsch-deutschen Grenze unter mysteriösen Umständen ums Leben. Bis heute hat Lena Bilder im Kopf, die etwas anderes aussagen, als die Einstufung der Behörden als Badeunfall. 
Über 30 Jahre später kehrt Lena als Polizistin an den Ort ihrer Kindheit zurück. Als Personenschützerin begleitet sie zusammen mit ihrem Kollegen Malik ein Vermessungsteam, das die Geeignetheit Horlows als Atommülllager prüfen soll. Als ehemalige Bewohnerin des Ortes gilt Lena als Verräterin und bekommt den Widerstand der Horlower zu spüren. Zudem campiert eine Gruppe militanter Umweltschützer am Kummersee, die das Endlager dort verhindern möchte. 
Während Lena von Erinnerungen an den "Badeunfall" heimgesucht wird und sich noch immer Gruselgeschichten um den Kummersee ranken, kommt es zu ersten Todesfällen, die zeigen, dass die Monster des um Mythen umrankten Sees noch immer da sind. 

"Sleepy Horlow" ist bezeichnend für das Dorf am Kummersee, in dem eine düstere und beklemmende Stimmung herrscht und Fremde nicht willkommen sind. Geprägt von den jahrhundertealten Mythen um den See und den mysteriösen Todesfällen, die sich dort ereignen, durchzieht sie Geschichte eine gruselige Atmosphäre. Etwas Tödliches schlummert im See, wobei Lena als erwachsener Frau bewusst ist, dass das Böse von den Menschen ausgeht und dass dort keine anderen Monster im Verborgenen lauern. 

Durch Rückblenden in die Vergangenheit der 1990er wird deutlich, warum Lena den Ort so lange gemieden hat. Die Folgen des Traumas sind gegenwärtig, aber Lena ist entschlossen, sich ihren Ängsten zu stellen, um endlich eine Erklärung für den Tod ihres Bruders, aber auch die aktuelle Bedrohung, zu erhalten. Vor dem Hintergrund sind ihre Alleingänge als Polizistin und die Gefahr, in die sie sich begibt, erklärbar. 

Die Geschichte ist spannend, denn es nicht zu erahnen, wo sie hinführen wird. Als Leser möchte man selbst unbedingt wissen, welches Geheimnis der See birgt und wer für dessen Bewahrung bereit ist, zu töten. Wie Lena wird man förmlich in den See gezogen, um Antworten zu finden. Die Aufklärung ist gewaltig und mit einer unfassbaren Skrupellosigkeit und Gewalt verbunden. Selbst als man denkt, das Ausmaß der Verschwörung erkannt zu haben, wird man mit einer weiteren Erschütterung überrascht.  

"Kummersee" ist eine spannende Mischung aus Familientragödie und Mysterythriller, in der geschickt die deutsch-deutsche Geschichte mit zeitgemäßen Aspekten um Umweltschutz und Ökoterrorismus verbunden wird. 

Montag, 10. Februar 2025

Buchrezension: Cleo Konrad - Deep Fake

Inhalt:

Mira ist fassungslos, als sie das Nacktvideo sieht, in dem sie ihr eigenes Gesicht, ihren eigenen Körper erkennt. Rasend schnell verbreitet sich das Deepfake im Netz und droht alles zu zerstören: ihre Karriere als Lehrerin, ihre Ehe, ihr Familienglück. Doch wer könnte einen Grund haben, sie auf so grausame Weise zu verleumden? 
Die Suche führt Mira zurück in das abgeschiedene Dorf ihrer Kindheit. Hier, inmitten der dunklen Wälder, muss sie sich endlich ihrer Vergangenheit stellen. Denn vor vielen Jahren hat auch Mira durch eine Lüge ein Leben zerstört. Nur ist sie nicht die Einzige, die sich damals schuldig gemacht hat. Als Mira in ihrem Heimatdorf eintrifft, wird sie bereits erwartet. 

Rezension: 

Mira ist glücklich verheiratet und hat zwei Söhne. Sie lebt in Berlin, wo sie an einer multikulturellen Schule unterrichtet und sich sehr engagiert als Vertrauenslehrerin für ihre Schüler einsetzt. Als eine Schülerin ihr ein Video zeigt, ist sie entsetzt. Es zeigt Mira selbst in pornografischer Darstellung - nur dass es Mira nicht ist. Bei dem Video handelt es sich um ein professionelles Deepfake. Es verbreitet sich rasant und bewirkt, dass Mira umgehend vom Schuldienst suspendiert wird.
Die Anzeige bei der Polizei hat wenig Aussicht auf Erfolg, weshalb Mira selbst handeln muss. Ihre Suche nach dem Täter führt sie zurück an den Ort ihrer Kindheit im Bayerischen Wald und damit zu einer Vergangenheit, mit der sie sich nie wieder konfrontieren wollte. In Tannwinkel trifft sie überraschend auf ihre alten Freunde wieder, aber auch auf die unverhohlene Ablehnung der Dorfbewohner, die Mira schon immer als Luder bezeichnet haben.

Der Roman wird in der Gegenwart aus der Sicht von Mira geschildert. Daneben liest man die Tagebucheinträge von Kat, die im Jahr 2003 neu nach Tannwinkel gezogen ist und sich mit einer kleinen Gruppe gleichaltriger Jugendlicher anfreundete. In dem von ihr beschriebenen Sommer kam es nach Eifersucht und Verrat zu einem Bruch der Freundschaft, der in einer Katastrophe mündete.

Die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit wird mit der Ankunft von Mira in Tannwinkel offensichtlich. Diese hat mit Alpträumen und Schuldgefühlen zu kämpfen. Was sich in der Vergangenheit ereignet hat und ob das der Auslöser für die Diffamierung ist, wird erst allmählich klar. 
Dabei ist die Geschichte wendungsreich geschildert und lässt Raum für Spekulationen für Täter und Motiv. Es handelt sich um einen ausgeklügelten Racheplan, der technisches Know-how und modernste Computer-Technologien voraussetzt. Erschreckend ist, was KI alles leisten und wie schnell eine ganze Existenz zerstört werden kann.

Die Spannung ist durchgehend hoch und steigert sich in der Gegenwart in eine Bedrohungslage, die von Misstrauen und Angst geprägt ist. Auch die Vergangenheit in dem abgelegenen, rückständigen Dorf fesselt, wo die Jugendlichen ihre Geheimnisse haben, die sie gegenseitig zerstören können. Was sich tatsächlich vor 20 Jahren ereignet hat, offenbart sich erst am Ende, selbst für die Beteiligten. 

Der Psychothriller ist authentisch und besonders beängstigend, da grundsätzlich jeder von Deepfakes betroffen sein kann. Es fällt insofern leicht den Horror von Mira und ihren Freunden nachempfinden. Die Deepfakes sind jedoch nur ein Auslöser für den Horror, der sich nach Miras Rückkehr in Tannwinkel auftut. Die Geschichte ist noch auf den letzten Seiten so undurchsichtig und wendungsreich, dass fast jeder Protagonist kurzfristig als Täter in Frage kommt. Die Motive aus verletzten Gefühlen, Angst vor Entdeckung und Vergeltung sind logisch und folgerichtig. Aufgrund des komplexen Konstrukts muss man am Ende konzentriert lesen, um jede Wende und falsche Vermutung nachvollziehen zu können. 

Freitag, 7. Februar 2025

Buchrezension: Emily Rudolf - Das Dinner: Alle am Tisch sind gute Freunde. Oder?

Inhalt:

Für ein Wiedersehen laden Jonathan und seine Verlobte Lotta die alte Freundesgruppe in ein abgelegenes Restaurant in der Eifel ein. Nur ein Platz bleibt leer: Vor fünf Jahren ist ihre Freundin Maria spurlos in der Nacht verschwunden. Um der alten Zeiten willen beginnen die Freunde ein Krimi-Dinner. Doch das Spiel verschmilzt rasch mit der Realität. Verstörende Erinnerungen kommen hoch und werfen Fragen auf: Wer lügt für seine Rolle, wer für sich selbst? Während draußen ein Sturm aufzieht, eskaliert das Spiel. Ist Maria noch am Leben? Oder sitzt ein Mörder mit am Tisch? 

Rezension:

Jonathan und Lotta veranstalten in ihrem Restaurant in der Eifel ein Krimidinner und möchten damit an eine alte Freundschaft anknüpfen, die vor fünf Jahren von dem Verschwinden von Maria, Lottas bester Freundin, erschüttert wurde. Schon nach dem Aperitif zeigen sich erste Parallelen der fiktiven Krimihandlung des Spiels mit dem Tag vor fünf Jahren. Es scheint, als habe jemand absichtlich für die Freundesgruppe ein solches Spiel inszeniert, um die Vergangenheit aufzurollen und zu klären, was mit Maria passiert ist. Misstrauen herrscht unter den Freunden und die Situation in dem abgelegenen Restaurant, um das ein Sturm tobt, spannt sich weiter an, als deutlich wird, dass jemand den vermeintlichen Mörder von Maria unter ihnen vermutet.

Der Roman ist originell aus drei Erzählebenen aufgebaut: das Dinner und das Treffen der Freunde in der Gegenwart, die Krimihandlung, in der jeder von ihnen eine Rolle erhält und der Besuch eines Festivals vor fünf Jahren, wo sie Maria zum letzten Mal gesehen haben.
Dabei wird die Geschichte aus wechselnden Perspektiven der fünf Hauptfiguren erzählt. Verwirrung gibt es trotzdem keine, denn Ort und Zeit sind eingangs jeweils angegeben und die Rollennamen ähneln den echten Namen, so dass die Identitäten klar sind.

Sympathisch ist keiner der Charaktere und auch die Freundschaft fühlt sich gegenwärtig und in der Vergangenheit toxisch an. Geheimnisse, Neid und Misstrauen stehen zwischen ihnen. Dazu kommt ein reger Konsum von Alkohol und Drogen, der die Hemmschwelle sinken lässt und das Gehirn vernebelt.

Spannung wird anfangs aufgebaut, flacht jedoch ab, als das Spiel vorzeitig endet. Während man wie ein Voyeur auf die sechs Freunde blickt, die ihre kompromittierenden Geheimnisse bewahren möchten, drehen sich die Dialoge ermüdend im Kreis. Schuldzuweisungen und Verdächtigungen werden ausgesprochen und eine sehr offensichtliche Tatsache aus der Vergangenheit als Geheimnis offenbart.
Fast alle haben eine Schuld auf sich genommen oder ein Motiv, Maria zu beseitigen. Selbst als die Hüllen fallen und immer mehr Details über die Vergangenheit ans Licht kommen, bleibt lange im Verborgenen, was mit Maria geschehen ist.

Das Locked-Room-Szenario ist mit dem inszenierten Krimidinner erfrischend anders und als Idee einer erzwungenen Aufklärung der Vergangenheit originell. Das Potenzial wird durch das vorzeitige Ende des Spiels jedoch nicht ganz ausgeschöpft.
Auch wenn es für einen Thriller nicht relevant ist, die Charaktere zu mögen, agieren hier zu viele Charaktere mit Lastern, denen man eine Freundschaft nicht wirklich abkauft. Das letzte Drittel zieht sich durch ewiges Lamentieren arg in die Länge bis die Situation eskaliert. Der Plottwist am Ende ist jedoch raffiniert, liefert eine logische Erklärung und versöhnt mit dem langen Vorlauf, indem es vieles zu hinterfragen galt.

Mittwoch, 5. Februar 2025

Buchrezension: Svea Lenz - Lebensträume. Ärztin einer neuen Zeit

Inhalt:

Sommer 1961. Vicky und ihr Freund Achim leben in Ostberlin und studieren im Westen Medizin. Als mit dem Mauerbau all ihre Träume über Nacht zu platzen drohen, ergreifen sie die Flucht. Kurz darauf wird Achim verhaftet. Vickys großes Ziel ist die Chirurgie, doch der Berufseinstieg gestaltet sich schwieriger als gedacht. Die Flughafenambulanz in Frankfurt ist eine Notlösung – und eine Männerwelt, in der sie sich durchbeißen muss. Zwischen aufregenden Einsätzen und Not-OPs kämpft sie für eine moderne Klinik und wird zur Hausärztin der Frankfurter Halbwelt. Und auch eine neue Liebe scheint auf sie zu warten. Doch Vicky hofft noch immer auf ein Wiedersehen mit Achim. 

Rezension:

Viktoria Becker wohnt in der Spandauer Vorstadt und studiert Medizin an der Freien Universität in Westberlin. Mit dem Bau der Mauer im August 1961 wird ein grenzüberschreitendes Studium verhindert und gefährdet Vickys großen Traum, Ärztin zu werden. Dank des Engagements westdeutscher Studenten gelingt Vicky und ihrem Freund Achim die Flucht in den Westen. Während Vicky ihr Studium mit Engagement fortsetzt, wird Achim im November 1961 als Fluchthelfer verhaftet.
Vicky weiß nichts über den Verbleib Achims und hat nach dem Studium Probleme, eine Anstellung zu bekommen. Ihr Ziel der Chirurgie rückt in weite Ferne, aber nach einem Erste-Hilfe-Einsatz kann Vicky ihre Medizinalassistenz an der Klinik am Frankfurter Flughafen absolvieren.
Als junge Ärztin hat sie es in der Männerdomäne und den fordernden Schichtdiensten nicht leicht, setzt sich jedoch wissbegierig und leistungsstark durch und ist in ihrer knappen Freizeit als Samariterin im Frankfurter Rotlichtmilieu im Einsatz. Im Kampf für den Ausbau zu einer modern ausgestatteten Klinik am Frankfurter Flughafen hat Vicky kaum Zeit an ihre Familie im Osten zu denken. Sie vermisst Achim, sehnt sich nach einem Wiedersehen und ist deshalb nicht offen für eine neue Liebe, ohne zu hinterfragen, ob sie nach einer langen Zeit der Trennung immer noch dieselben sein würden und ihre Beziehung noch eine Chance haben könnte.

Der Roman handelt von 1961 bis 1972 und ist eine lebendige Geschichte mit einer liebenswerten Hauptfigur.
Sehr detailreich wird der Lebensweg der Anfang 20-Jährigen, insbesondere ihre ersten Schritte im Beruf, geschildert. Die fiktive Geschichte um die unerschrockene, forsche und ehrgeizige Vicky wird dabei mühelos mit der deutschen Historie verbunden. Der Zweite Weltkrieg und die Besatzungszeit liegen noch nicht lange zurück, die Bundesrepublik befindet sich im Wirtschaftsaufschwung mit Leiharbeitern aus allen Herren Ländern. Es ist die Zeit von Gammlern und Studentenprotesten gegen Krieg und atomare Aufrüstung, aber auch die Zeit des Vietnam-Kriegs und von zunehmendem Terror um den Staat zu erpressen.
Durch den anschaulichen Einblick in das Leben in die 1960er-Jahre in Ost und West ist der Zeitgeist spürbar. Vickys persönliche Geschichte mit Klinikalltag und ihrem einnehmenden Wesen sowie das Einfließen der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse sorgen für ein anschauliches Bild der damaligen Zeit und der Lebensumstände, die durch Alltagsszenen, Musik, Nachrichten und reale Ereignisse untermalt wird.

Die Geschichte ist so lebensecht und authentisch, als wäre man an Vickys Seite. Dabei schafft es die Autorin ohne übertriebenes Drama und mit vielfältigen interessanten medizinischen Details diverse aufregende Situationen als Notärztin, Allgemeinmedizinerin oder Gynäkologin zu schildern.
Die Liebesgeschichte bleibt dezent im Hintergrund, so dass tatsächlich Vickys Weg als mutige und engagierte berufstätige Frau im Vordergrund steht, die nicht zurückblickt, ihr Ziel klar vor Augen hat und dennoch genug Empathie für ihre Patienten und die Damen der Frankfurter Halbwelt aufbringt.

"Lebensträume - Ärztin einer neuen Zeit" ist ein vielschichtiger Entwicklungsroman über eine sehr engagierte junge Ärztin. Er schildert einen emanzipierten Lebensweg vor dem Hintergrund des Verlusts der Heimat, hinterfragt damalige Moralvorstellungen und hinterlässt durch Vickys Lebensmut, sich entwickelnde Freundschaften, Fortschritte und Erfolge ein wohliges Gefühl. Der Roman ist abwechslungsreich, spannend und emotional, macht Geschichte lebendig und zeigt eindringlich den Wert von Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit.

Montag, 3. Februar 2025

Buchrezension: Bev Thomas - Mutterlüge

Inhalt:

Als Therapeutin ist sie erfolgreich. Als Mutter eine Versagerin. Doch das weiß niemand. Bis ein Patient kommt, der beide Rollen in ihr anspricht.
Ruth Hartland ist Leiterin einer renommierten Traumatherapie-Einrichtung. Sie ist selbstbewusst und beruflich anerkannt. Aber ihr Privatleben liegt in Scherben: Vor mehr als einem Jahr ist ihr 17-jähriger Sohn Tom verschwunden, und sie quält sich mit Selbstvorwürfen: Hat sie ihren Beruf über die Familie gestellt? War sie keine gute Mutter? Als ein neuer Patient zu ihr kommt, der Tom erschreckend ähnlich sieht, weiß sie als Therapeutin genau, was zu tun ist. Aber als verzweifelte Mutter trifft sie eine ganz andere Entscheidung. Mit fatalen Konsequenzen. 

Rezension: 

Ruth Hartland ist Psychologin und leitet die Trauma-Abteilung in einer Klinik in London. Sie ist Mutter von erwachsenen Zwillingen, wobei ihr Sohn seit anderthalb Jahren verschwunden ist. Ihr Ehe ist daran zerbrochen und das Verhältnis zu ihrer Tochter angespannt. Im beruflichen Umfeld verschweigt Ruth ihre privaten Sorgen.
Ihr neuer Patient Dan erinnert sie an ihren Sohn Tom. Er verunsichert sie in den Therapiesitzungen und Ruth schafft es immer weniger, die professionelle Distanz zu wahren - mit fatalen Folgen.

Der Roman wird aus Ruths Ich-Perspektive geschildert, so dass man der Hauptfigur sehr nahe kommt. Sie ist einerseits eine erfahrene Psychotherapeutin, die mit Leidenschaft ihrem Beruf nachgeht und andererseits eine Mutter, die einen Verlust erlitten hat und sich in Frage stellt. Die Darstellung ist emotional und realitätsnah und erscheint aufgrund der Tatsache, dass die Autorin selbst jahrelang als klinische Psychologin tätig war, besonders authentisch. 

Es gibt Einblicke in ihren Berufsalltag, die Therapiesitzungen mit ihren Patienten und die Supervisionen. Dazwischen erfolgen Erinnerungen an Tom und Rückblenden in das Familienleben. Geprägt von einer Kindheit mit einer alkoholkranken Mutter wollte Ruth in ihrer Mutterrolle stets alles richtig machen. Die Unterschiede ihrer Kinder machten es ihr jedoch schwer. Während sie ihrer Tochter, die von Geburt an stärker wirkte, weniger Aufmerksamkeit schenkt, rückt die Fürsorge für ihren sensiblen Sohn in den Mittelpunkt.
Als Therapeutin möchte sie ihren Patienten helfen, gleichzeitig ist es ihr ein Bedürfnis, sie zu knacken und erfolgreich zu sein. Ihr neuer Patient Dan macht ihr jedoch Probleme. Die Grenzen zwischen Dan und Tom, zwischen ihrer Aufgabe als Therapeutin und ihrer Eigenschaft als Mutter verschwimmen.

"Mutterlüge" ist kein nervenaufreibender Thriller, aber ein fesselndes Drama über Verlust, Schuldgefühle, mangelnde Abgrenzung und Mutterschaft.
Gebannt wohnt man den Therapiesitzungen bei und hat das Gefühl, dass Dan genau weiß, was Ruth durchmacht und dass er sie bewusst provoziert und manipuliert. Geblendet von ihrer Trauer um den Sohn und ihren Versagensängsten fehlt Ruth der neutrale Blick auf Dan. Es ist jederzeit zu spüren, dass die Sitzung in eine Katastrophe führen wird, wobei das Ausmaß der Tragödie am Ende dennoch überrascht.