Mittwoch, 15. Mai 2024

Buchrezension: Jo Leevers - In den Augen meiner Mutter

Inhalt:

Die 32-jährige Georgie ist im achten Monat schwanger, als sie durch Zufall einen Hinweis auf den Aufenthaltsort ihrer Mutter Nancy erhält. Vor 20 Jahren hatte Nancy ihre Familie einfach so verlassen – ohne Erklärung, ohne Abschied. Jetzt, da Georgie selbst Mutter wird, kann sie das noch weniger verstehen als damals. Aber sie hat das Gefühl, Antworten zu brauchen, um in ihrem eigenen Leben endlich zur Ruhe zu kommen. Zusammen mit ihrem Bruder Dan reist Georgie in die schottischen Highlands, wo in den Medien über ihre Mutter berichtet wurde. Unterwegs kommen Erinnerungen an ihre Kindheit zurück, die mehr und mehr Fragen aufwerfen. War es etwa Georgies Schuld, dass Nancy gegangen ist? Und war ihr Vater wirklich der Held in der Geschichte? Was die Geschwister über ihre Familie herausfinden, erschüttert all ihre Gewissheiten. Und es stellt Georgies eigene Entscheidungen infrage. 

Rezension:

Nach 20 Jahren Ungewissheit über den Verbleib ihrer Mutter erhält Georgie einen Hinweis darauf, wo sich ihre Mutter derzeit aufhält. Sie selbst ist hochschwanger und möchte endlich für sich klären, warum ihre Mutter Nancy die Familie damals ohne ein Wort verlassen hat. Zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Dan fährt sie nach Schottland, um ihre Mutter zu finden. Auf der ungeahnt beschwerlichen Reise kommen Erinnerungen an ihre Kindheit in ihr hoch, an den Alkoholkonsum ihrer Mutter, ihren zwielichtigen Freund, aber auch an ihre Jugend, in der sie selbst über die Stränge schlug und sich mit Alkohol benebelte. 

Der Roman ist aus den Perspektiven von Georgie und Nancy geschildert - Georgie, die sich auf die Suche nach ihrer Mutter macht und Nancy, deren Foto in den Medien gelandet ist und die panikartig die Flucht ergreift. Daneben gibt es zahlreiche Rückblenden in die Vergangenheit, die Nancys Lebensweg zeichnen, die ungeplant Mutter wurde, unter Ängsten litt und mit der Familiensituation überfordert war. Und Georgie, die rebellierte, nie so sein wollte wie ihre Mutter, dennoch bestimmte Verhaltensweisen übernommen hatte und nun Angst hat, ähnliche Fehler zu begehen. 

Beide Sichtweisen ziehen in den Bann, die auf unterschiedlichen Erzählebenen Geheimnisse und Lügen enthüllen, die allmählich die ganze Traurigkeit der Familiengeschichte offenbaren. Dabei ist es nicht so einfach wie gedacht, Schuldige für den Verlust einer Mutter und den Zusammenbruch einer Familie auszumachen, denn auch diese Geschichte hat zwei Seiten. 

Der Roman ist facettenreich und vielschichtig. Unabhängig von der Suche nach Nancy, müssen Georgie und Dan selbst noch Dinge klären, die einst das enge Bruder-Schwester-Verhältnis erschütterte.
Die Charaktere und Hintergründe sind glaubwürdig dargestellt, ihre Taten nachvollziehbar. Nancys Flucht hat mehrere Gründe, die es zu erkennen gilt, und auch Georgies Suche hat mehrere Ursachen. 

"In den Augen meiner Mutter" ist eine Reise in die Vergangenheit, auf der Suche nach Antworten und Gewissheiten. Durch die doppelte Sichtweise, Erinnerungen und Rückblicke ist das Familiendrama spannend geschildert. Es ist eine Geschichte über Ängste, Hilflosigkeit, betäubte Gefühle und was es bedeutet, Mutter zu sein. 
Es ist eine einfühlsame, berührende Geschichte, die zeigt, wie prägend eine Kindheit ist, wie bedeutend es ist, was Eltern vorleben und welche Auswirkungen bestimmte Ereignisse auf nachfolgende Generationen haben, die bis ins Erwachsenenalter nachwirken oder sich erst dann offenbaren. 

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