Mittwoch, 10. April 2024

Buchrezension: Graham Norton - Heimweh

Inhalt:

Ein Sommertag Ende der Achtziger, sechs junge Leute fahren ans Meer. Auf dem Rückweg ein schrecklicher Unfall: Es sterben ein junges Paar, das am nächsten Tag hätte heiraten sollen, und eine Brautjungfer; die andere überlebt schwer verletzt. Kaum blessiert sind Martin, der Arztsohn, und Connor, der eigentlich nicht zur Clique gehörte. Er saß am Steuer.
Der ganze Ort Mullinmore ist wie gelähmt. Und nach dem Prozess wird Connor nach England geschickt. Niemand weiß, dass er noch vor etwas ganz anderem flieht. Bald bricht er den Kontakt zu den Eltern ab. Connors Schwester wird derweil von Martin umworben. Die beiden heiraten, und die Ehe wird für Ellen ein Unglück.
Zwanzig Jahre später betritt ein Gast eine Bar in New York. Er versteht sich sofort gut mit dem jungen Barkeeper. Dann stellen sie fest, was sie verbindet. Und jenseits des Atlantiks, in einem kleinen Ort im County Cork, löst dies eine dramatische Kette von Ereignissen aus. 

Rezension:

Im Sommer 1987 ereignet sich ein Verkehrsunfall, bei dem drei junge Menschen ums Leben kommen. Unter den Opfern ist ein Paar, das am nächsten Tag heiraten wollte und die Brautjungfer. Die Schwester der Brautjungfer überlebt schwer verletzt und fällt ins Koma. Die Kleinstadt steht unter Schock, die Angehörigen trauern und der stigmatisierten Familie des Todesfahrers bleibt nichts anderes übrig, als Connor fort zu schicken, um woanders ein neues Leben anzufangen. Sie können nicht ahnen, dass Connor sich schon bald nicht mehr melden wird.
Seine Schwester Ellen leidet unter den argwöhnischen Blicken der Einwohner Mullinmores und ist umso überraschter, als der Sohn des Arztes, der wie Connor den 
Unfall unverletzt überlebt hat, mit ihr ausgehen möchte.
Jahre später trifft Ellens Sohn Finbarr in einer Schwulenbar in New York auf seinen unbekannten Onkel Connor. Die Begegnung führt einerseits zu einer Wiedersehensfreude in Mullinmore, andererseits werden dadurch neue Dramen hervorgerufen, als eine unfassbare Wahrheit ans Licht kommt.

Der Roman handelt von 1987 bis 2019 und beginnt mit einem tragischen Unfall, wodurch der Schuldige keinen Platz mehr in der irischen Kleinstadt hat.
Für Connor Hayes ist das Exil jedoch die Chance auf einen Neuanfang und sein Leben abseits seiner katholischen Heimat neu und in Freiheit anzufangen. Sein Leben entwickelt sich rastlos und führt ihn von Liverpool über London nach New York, wo er von seinem Neffen betrunken im Rinnstein aufgelesen wird.
Parallel zu Connors Weg geht das Leben in Mullinmore weiter, wo Ellen Hayes den angehenden Arzt Martin Coulter heiratet, die Ehe sich jedoch nicht glücklich entwickelt. 

Die Handlung ist von Zeitsprüngen geprägt und wird aus wechselnden Blickwinkeln erzählt, was zu Beginn aufgrund der Vielzahl der Personen ein wenig unübersichtlich ist. Nach wenigen Kapiteln ist man jedoch mitten im Geschehen und erfolgt gebannt den Ereignissen und den Protagonisten auf ihrer Suche nach Glück.

Traurigen Episoden folgen die Euphorie einer Verliebtheit bis bald Ernüchterung Einzug hält. Connor und Ellen arrangieren sich mit ihren Leben, wie sie meinen es verdient zu haben. Connor bricht jeden Kontakt nach Hause ab und Ellen sieht über die Geheimnisse ihres Mannes hinweg. 
Das Wiederauffinden von Connor führt zu einer überraschenden Wende und lässt all die vergangenen Ereignisse und Schicksale in einem ganz anderen Licht dastehen.

Das Buch ist dramatisch und spannend, erzählt von einem Zusammenbruch von Familien, von Selbstfindung, von Lügen und Geheimnissen, Schuld und Sühne. Es ist das Porträt einer Kleinstadt mit ihren Vorurteilen und Zwängen und den bewegten und bewegenden persönlichen Lebenswegen, die authentisch geschildert werden. 
Trotz der Tragik und Melancholie ist die Geschichte durch die Wende hoffnungsvoll, wenn die Charaktere aus ihrer Passivität ausbrechen, für sich einstehen und ein positiver Trend zu mehr Toleranz in den 2000er-Jahren offenbar wird. Sie endet dann auch sehr versöhnlich ohne Groll in Bezug auf die Vergangenheit und begangenes Unrecht und erlebte Enttäuschungen. 

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