Freitag, 7. Juli 2023

Buchrezension: Tom Liehr - Freitags bei Paolo

Inhalt:

Marie und Clemens haben sich in der Millenniumsnacht 2000 kennen- und lieben gelernt. Seither pflegen sie ein Ritual: Freitags treffen sie sich immer bei ihrem Lieblingsitaliener – bei Paolo. Und sie schwören sich: Wenn es irgendwann in ihrer Beziehung nicht mehr knistert, wollen sie es beenden. Nach zwanzig Jahren ist es dann so weit: Sie beschließen, getrennte Leben zu leben, müssen aber bald erkennen, was für ein Wagnis sie eingegangen sind. Denn bei aller gefühlten Freiheit bleibt die Frage: Wie sieht ein erfülltes Leben voller Liebe und Zufriedenheit denn wirklich aus? 

Rezension: 

Marie und Clemens haben sich auf einer öden Silvesterparty kennengelernt und auf den ersten Blick ineinander verliebt. Sie ziehen bald zusammen, heiraten nach zwei Jahren und bekommen Zwillinge. Sie gelten als Traumpaar, teilen Gemeinsames und ergänzen sich in den Dingen, die sie trennen. Ihre Zweisamkeit ist ihnen wichtig und diese zelebrieren sie jeden Freitag ohne Ausnahme bei ihrem Lieblingsitaliener Paolo. Dort haben sie sich auch gegenseitig einen Heiratsantrag gemacht und die gemeinsame Zukunft zementiert. Doch nach zwanzig Jahren ist die Luft raus und das Paar geht getrennter Weg. Was ist im Lauf ihres Lebens passiert und was hat letztlich dazu geführt, dass das einstige Traumpaar entzweit hat?

Tom Liehr schildert die Entwicklung einer Paarbeziehung authentisch und mit feiner Beobachtungsgabe. Es sind Alltagssituation, Routinen und Banalitäten, die jedoch immer wieder die innige Verbundenheit des Paares zeigen. Beide Charaktere sind eigenwillig, aber nicht unsympathisch, haben ihre Prinzipien und treiben ihre Karrieren voran. Die gemeinsamen Erlebnisse werden vom ersten Freitag bis zum 1000. Freitag unterhaltsam und humorvoll geschildert, auch wenn es natürlich auch traurige und ernste Situationen gibt, die im Leben nicht ausbleiben. Dabei zeigen sich mitunter Zweifel, ein erstes Genervtsein und Überlegungen, wie eine Beziehung mit einer anderen Person aussehe. 
Es gibt keinen großen Knall oder konkreten Anlass - Marie und Clemens scheinen ihre Liebe schleichend verloren zu haben. Die Trennung erfolgt kaum nachvollziehbar abrupt, ohne große Diskussion oder die Frage, wie die Beziehung zu retten wäre. 

Ein großer Anteil der Geschichte hat das Berufsleben von Clemens, der seinen Schwerpunkt sukzessive auf die Arbeit des Comedians legt. Die Schilderung der Touren und Auftritte empfand ich weniger interessant, an der Stelle hätte ich mir einen größeren Fokus auf die Paarbeziehung gewünscht, um auch die Trennung weniger plötzlich erscheinen zu lassen. 

Wie ihr Umfeld können es auch Marie und Clemens nach ein wenig Abstand nicht fassen, dass ihre Ehe nun vorbei sein soll. Machen sie einen Fehler? Haben sie voreilig gehandelt? Waren die Erwartungen zu hoch? Letztendlich erfolgt jedoch keine Auseinandersetzung mit den Gründen der Trennung. Sofern es überhaupt welche gibt, scheinen sie letztlich egal zu sein. Clemens und Marie verstehen sich, mögen sich, lieben sich vielleicht noch, aber eine gemeinsame Zukunft sehen sie offenbar nicht. 

"Freitags bei Paolo" ist ein unterhaltsamer und lebendiger Roman, der sich zunächst wie eine  Liebesgeschichte liest und die Lebenswirklichkeit eines Paares über die Jahre authentisch abbildet. Der Fokus des Romans rückt ab einem Drittel sehr das berufliche Vorankommen in den Mittelpunkt und setzt sich insbesondere kritisch mit Kunstfreiheit und Zensur auseinander. Diese Richtung empfand ich als zu detailliert und ermüdend.  
Zudem verrät der Klappentext zu viel, so dass der Handlungsverlauf in seinen Grundzügen vorweggenommen wird, weshalb die Geschichte an Spannung einbüßt. Die angekündigte Trennung ist dann reichlich vage, unreif und unreflektiert, was nach den vorangegangen Schilderungen der ach so intensiven Liebe des Traumpaares nicht nachvollziehbar unglaubwürdig und enttäuschend ist. 

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