Mittwoch, 5. April 2023

Buchrezension: Nina George - Das Bücherschiff des Monsieur Perdu

Inhalt:

Vier Jahre sind vergangen, seit der Buchhändler Jean Perdu sein Bücherschiff, die „Pharmacie Littéraire“ verließ, und den Aufbruch in eine neue Liebe mit der Bildhauerin Catherine in der Provence wagte. Doch die in einer Zeitkapsel aufbewahrte letzte Bitte des Schriftstellers José Saramago an Monsieur Perdu lockt ihn zurück, in das Herz seiner Leidenschaft: Bücher und Menschen zusammen zu bringen, und für jede Seelen-Maladie die wirksamste Lektüre zu empfehlen. Auf der gemeinsamen Reise mit Max Jordan über die Kanäle Frankreichs nach Paris wird das Bücherschiff des Monsieur Perdu bald zu einer Arche, auf der sich Menschen, Kinder, Tiere – und Bücher! – begegnen, die einander für immer verändern. Und das große Abenteuer Leben hält für jeden von ihnen einen zweiten Anfang bereit – auch für Monsieur Perdu. 

Rezension: 

Vor vier Jahren hatte Jean Perdu sein Leben als Buchhändler in Paris zurückgelassen, um mit seiner Lebensgefährtin Catherine ein neues Leben in der Provence anzufangen. 
Kurz vor seinem 55. Geburtstag erhält er Post von einem inzwischen verstorbenen Schriftsteller, der ihm sein letztes Manuskript anvertraut, dessen Verwendung jedoch an eine Bedingung geknüpft ist. 
Gleichzeitig spüren seine Freunde, dass Jean mit seinem Leben in der Provence nicht ganz glücklich ist und geben ihm seine fahrende Buchhandlung - sein Bücherschiff - zurück, das in der Zwischenzeit als Bistro fungiert hatte. Zusammen mit Max Jordan, dem Freund seiner potentiellen Tochter, der sich in einer persönlichen Krise befindet, überführt Jean das Bücherschiff über die Kanäle Frankreichs zurück nach Paris. Auf ihrem fast zweiwöchigen Weg begegnen sie Menschen, die verloren oder auf der Suche sind, weshalb Jean wieder das Potential seiner literarischen Apotheke herausholen kann und andere die Magie und machtvolle Heilung durch Bücher erfahren lässt. 

"Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" ist die Fortsetzung des Bestsellers "Das Lavendelzimmer". Die Geschichte ist jedoch in sich geschlossen, so dass der Roman auch ohne Vorkenntnisse zu lesen ist, hilfreich ist aber in jedem Fall, den Kern der Vorgeschichte zu kennen, um Monsieur Perdu, seine Weggefährten und die Geschichte des Bücherschiffs als fahrende literarische Apotheke besser nachvollziehen zu können. 

Die Geschichte ist dialoglastig, wenig ereignisreich und wirkt eher wie ein Konzeptbuch als eine lebendige Erzählung. 
Die Kapitel werden am Ende mit Abdrucken aus Monsieur Perdus Aufzeichnungen, der "Großen Enzyklopädie der Kleinen Gefühle", einem Handbuch für "Literarische Pharmazeut:innen", ergänzt. Diese Einträge sind manchmal fast so lang wie das Kapitel selbst und haben für die Geschichte keinen Mehrwert. Einzelne Wortdefinitionen und Erklärungen für "Seelen-Maladies" dieses Wörterbuchs fand ich eindrücklich und pointiert, andere wirkten viel zu bemüht auf Bücher bezogen und ermüdeten mit der Aufzählung einzelner Buchtitel, Autoren oder Helden aus Büchern. 

Dass Bücher mehr als ein Hobby sind, Halt geben und Ratgeber sein können, dass Geschichten die Sorgen des Alltags vergessen lassen können, Stress lindern und entspannend wirken können, steht außer Frage. Dass Monsieur Perdu mit seiner literarischen Apotheke deshalb Menschen helfen kann, indem er sie an die für sie passenden Bücher heranführt, ist deshalb auch eine schöne Idee, die jedoch bereits in "Das Lavendelzimmer" erzählt wurde. So fehlte dem "Bücherschiff" eine neue Idee und wer "Das Lavendelzimmer" nicht kennt, für den mag die Geschichte zu oberflächlich erscheinen, da weder das Bücherschiff näher beschrieben wird, noch die Magie der Bücher durch konkrete Beispiele erfahrbar wird. 

Mir ging zudem vieles zu leicht - das 16-jährige, von Liebeskummer geplagte Mädchen, das sich nach wenigen Tagen auf dem Schiff öffnet, sich Büchern anvertraut und dann selbst Buchhändlerin werden will - der verstummte kleine Junge, der nach wenigen Tagen auf dem Schiff und der Hilfe eines trauernden Hundes wieder zu sprechen beginnt - die Genesung der Schiffspassagiere empfand ich als zu idealistisch, zu romantisierend und zu gekünstelt dargestellt. Der Einfluss der literarischen Apotheke und der Kontakt zu höchster Prominenz erschien mir zu übertrieben. 

Die Hauptfiguren sind wenig zugänglich. Jean Perdu wirkt wie ein ewig Gestriger, der sich hinter Büchern versteckt und lieber anderen hilft, als seine eigenen Probleme zu lösen. Dass er mit 55 Jahren und trotz neuer Liebe immer noch seiner Jugendliebe hinterhertrauert und nicht in der Lage ist zu klären, ob es sich bei Victoria um seine leibliche Tochter handelt, fand ich genauso befremdlich wie der schnelle Schluss von Freundschaften mit allen Besuchern des Bücherschiffs. 

Die Botschaft der heilenden Wirkung von Büchern ist nach wie vor schön, die Geschichte dazu wirkte auf mich wenig durchdacht: Ein Schiff, das von heute auf morgen vom Bistro zur Buchhandlung wird? Ein Buchhändler, der offenbar vier Jahre lang den Buchmarkt nicht beobachtete und keine neuen Bücher gelesen hat? Jean Perdus übereilter Aufbruch nach Paris? Keine Diskussion über den zukünftigen Standort der Paarbeziehung? 

"Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" und ich kamen einfach nicht wirklich zusammen. Dazu ein passendes Zitat aus dem Buch: 

"(...) Man hat das Gefühl, man sei dem Buch verpflichtet, es zu Ende zu lesen, weil, da hat sich jemand Mühe gegeben, und schlecht ist es ja nicht, es ist nur so: Wir passen nicht zueinander, du und ich. Ich sehe nicht, dass wir Freunde, Vertraute, Liebende oder Komplizen werden. Du bist einfach nur Wörter auf Papier. (...)" (S. 182). 

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