Freitag, 21. April 2023

Buchrezension: Claire Alexander - Und morgen ein neuer Tag

Inhalt:

Seit mehr als drei Jahren hat Meredith ihr Haus nicht verlassen. Über das Warum – über das, was vor 1.214 Tagen geschah – spricht sie mit niemandem. Denn eigentlich ist doch alles in Ordnung: Sie arbeitet erfolgreich von zu Hause, bruncht am Küchentisch mit ihrer besten Freundin, liest in ihrem gemütlichen Ohrensessel und kocht Pasta Puttanesca. Aber dann tritt Tom in ihr Leben, und Meredith muss zugeben, dass sie nicht so glücklich ist wie sie vorgibt. Doch gerade als sie beginnt, sich Tom zu öffnen, holt ihre Vergangenheit sie schlagartig ein. Und Meredith begreift: Um wirklich zu leben, braucht es viel mehr als einen Schritt vor die Haustür. 

Rezension: 

Meredith Maggs ist knapp 40 Jahre alt und lebt allein mit ihrem Kater Fred in Glasgow. Sie arbeitet als Texterin, kocht, backt und puzzelt leidenschaftlich gern. Ab und an kommt ihre Freundin Sadie zu Besuch, regelmäßig erhält sie Tesco-Lieferungen und fühlt sich in ihrer kleinen Höhle mit ihrem durchstrukturierten Tagesablauf wohl. Für Meredith besteht keine Notwendigkeit ihr Häuschen zu verlassen - was sie seit über drei Jahren nicht mehr getan hat. Eine Therapeutin hilft ihr, kleine Schritte nach draußen zu machen, ein Ehrenamtlicher kommt nun regelmäßig vorbei und über ein Selbsthilfeforum lernt Meredith eine junge Frau kennen, mit der sie sich online anfreundet. Meredith ist trotz ihrer selbst gewählten Isolation nicht allein und findet trotz der Schatten der Vergangenheit die Motivation, zurück ins Leben zu finden.

Der Roman erzählt in kurzen Kapiteln von den Tagen, die Meredith zu Hause verbringt und ist dabei ganz und gar nicht eintönig. Meredith ist kein verschrobener Mensch, der Mitleid weckt. Sie ist eine liebenswerte und trotz aller Hemmnisse eine starke Frau, die ihren Alltag managt und viel Empathie für ihre Mitmenschen empfindet. 
Durch Rückblenden in ihre Kindheit und Jugend erfährt man mehr über ihre Familie und wie das Verhalten ihrer Mutter sie geprägt hat und von einem Schlüsselerlebnis, das letztlich zu ihrem sozialen Rückzug geführt hat. Durch dieses Trauma leidet Meredith an einer Angststörung und bekommt Panikattacken, wenn sie nur daran denkt, das Haus zu verlassen.

Ihre Situation wird einfühlsam und anschaulich geschildert. Es fällt leicht, sich in Meredith hineinzuversetzen und nachzuvollziehen, warum sie ihre Komfortzone nicht verlässt. Telearbeit, Onlineshopping und moderne Kommunikation machen dies auch gar nicht nötig, was auf der einen Seite den Alltag erleichtert, andererseits aber auch beklemmend ist. Durch das soziale Netz, das sich Meredith aufgebaut hat und ihre verständnisvollen und einfühlsamen Freunde ist Meredith vielleicht allein, aber nicht einsam.

Es ist erhebend zu sehen, welche Fortschritte Meredith langsam durch ihre neuen Kontakte macht, wie sie trotz Rückschlägen nicht aufgibt und in kleinen Schritten den Weg zurück in ein freieres Leben finden kann. Ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive wirkt authentisch, ist berührendend und hoffnungsvoll. Die Zeitsprünge sind nicht störend, sondern sorgen für Spannung, um Meredith und ihr Trauma nach und nach zu ergründen.

Es ist eine emotionale Geschichte ohne eine Liebesgeschichte zu sein, bewegend ohne dramatisch oder kitschig zu sein und trotz der ungewöhnlichen Ausgangssituation ein glaubwürdiges Szenario. Es ist eine Geschichte über Verwundbarkeit, Familie und Freundschaft mit einer facettenreichen Hauptfigur und ihren komplexen Beziehungen, die man von Anbeginn ins Herz schließt.
"Und morgen ein neuer Tag" entwickelt sich nachvollziehbar behutsam, kommt ohne Paukenschlag aus und weiß dennoch durchgängig zu fesseln.

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