Mittwoch, 25. Mai 2022

Buchrezension: Kristina Pfister - Ein unendlich kurzer Sommer

Inhalt:

Wo soll man eigentlich hin, wenn man vor sich selbst davonläuft? In irgendeinen Zug einsteigen und bis zur Endstation fahren? So jedenfalls landet Lale auf dem heruntergekommenen Campingplatz an diesem See, der fast zu schön ist. Sie hilft dem alten, grantigen Besitzer Gustav beim Renovieren der maroden Bäder, füttert die flauschigen Kaninchen, trägt jeden Tag die gleiche, alte Latzhose und schweigt.
Bis Christophe diese vermeintliche Ruhe durcheinanderbringt. Christophe mit den dunklen Augen, angereist vom anderen Ende der Welt, auf der Suche nach seinen Wurzeln. Christophe, der zu spüren scheint, was Lale fühlt.
Gemeinsam erleben sie den einen Sommer, der bleibt: Flirrende Hitze, glitzerndes Wasser, gemeinsame Floßfahrten, ausgeblichenes Haar. 

Rezension:

Lale verlässt ohne Ziel und Richtung ihr Zuhause und landet am Ende auf einem Campingplatz, der von einem mürrischen älteren Herrn geführt wird, der offenbar wenig Wert auf Touristen legt. Der Campingplatz am See in einem kleinen Dorf ist verwahrlost und Lale ist der einzige Gast. Gegen Kost und Logis macht sie sich nützlich, jätet Unkraut, repariert das Notwendigste, füttert die Kaninchen des Nachbarsjungen und kann sich damit von den eigenen Problemen ablenken. Lale muss niemandem erzählen, warum sie hier ist, denn auch Gustav gibt nichts von sich Preis. 
Die Ruhe endet abrupt, als ein weiterer Gast zu ihnen stößt und zeitgleich ein vorgeblich steinzeitliches Hexengrab mit Beigaben an der Grenze zum Campingplatz entdeckt wird, so dass weitere Touristen regelrecht in den Ort pilgern. Im Gegensatz zu Lale ist Christophe nicht zufällig auf Gustavs Campingplatz gelandet. Nach dem Tod seiner Mutter hat er einen Brief von ihr gefunden, der ihn von La Réunion in das provinzielle Dorf nach Deutschland geführt hat. 

Gustav, Lale und Christophe - alle drei haben ihre Geheimnisse, die sie zunächst vor den andern verbergen. Gustav möchte einfach nur in Ruhe gelassen werden, für Lale ist der Aufenthalt auf dem Campingplatz eine Zuflucht, wohingegen Christophe dort nach Antworten sucht. Während sich Lale und Chris immer stärker zueinander hingezogen fühlen, werden Freundschaften mit Nachbarn und Bekannten von Gustav geschlossen. Die drei Eigenbrötler  schließen Vertrauen und öffnen sich allmählich und niemand möchte, dass dieser Sommer je endet. 

"Ein unendlich kurzer Sommer" ist ein Roman über drei ganz unterschiedliche Personen, die vor lebensverändernden Entscheidungen stehen und auf der Suche nach einem Halt sind. Chris trauert um seine kürzlich verstorbene Mutter und möchte mehr über seine Herkunft wissen. Gustav ist nicht nur alt, sondern schwer krank. Lale hat den Verlust ihres Bruders nicht verwunden und weiß weder beruflich noch privat, wie es weitergehen soll. 

Die Geschichte mutet grundsätzlich traurig und melancholisch an, ist aber voller Leichtigkeit und Empathie für die Charaktere geschrieben. Durch die wechselnden Perspektiven fällt es nicht schwer, sich in jede Hauptfigur hineinzuversetzen und mehr über ihre Geschichten und Beweggründe zu erfahren. 

Der Campingplatz mit den sympathischen Nachbarn, die Gustav unterstützen, und den Touristen, darunter yogierende Hippies und Esoteriker, die zunehmend Einzug halten, sorgen für Abwechslung und Lebendigkeit und nehmen dem Roman seine Melancholie und Schwermut. Er ist ein wundervoller Ort für eine Auszeit im Sommer und auch Gustav fühlt sich plötzlich an einen glücklichen Sommer vor knapp vierzig Jahren erinnert, an dem er einen Fehler begangen hat, den er zutiefst bereut. 

Es wird ein Sommer, in dem Lale, Chris und Gustav ihre Leben reflektieren, in dem sie bei sich ankommen, Vergangenes hinter sich lassen, versöhnen und Freundschaft und Liebe neu entdecken und gestärkt für einen Neuanfang hervorgehen. 

Die Geschichte berührt mit den Schicksalsschlägen der Protagonisten und fesselt zudem durch die kleineren und größeren Geheimnisse, die sie bergen und die es zu entdecken gilt. Trotz Krankheiten, Trauer und Verlust ist der Roman durch die einnehmenden Charaktere, die quirlige Atmosphäre auf dem Campingplatz und den einfühlsamen Schreibstil Mut machend und hoffnungsvoll geschrieben und lässt die/ den Leser*in mit einem positiven Gefühl und einer "Herzumarmung" zurück, dass das Leben zwar voller Hürden ist, diese jedoch gemeinschaftlich gemeistert werden können. 

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