Freitag, 15. April 2022

Buchrezension: Anna McPartlin - Warten auf ein Wunder

Inhalt:

Dublin, 2010. Caroline glaubt, alles verloren zu haben: den Traum, Mutter zu werden, und darüber auch ihre Ehe. Eine Selbsthilfegruppe führt sie mit drei verwandten Seelen zusammen: Natalie, deren Lebensgefährtin keine Kinder möchte. Janet, die von ihrem Mann betrogen wird. Und die toughe Ronnie, die ihre Geschichte nicht preisgeben mag.
Cork, 1976. Catherine ist 16 und schwanger - die Tochter des Schweinebauern schwanger vom Sohn des Richters, ein Skandal. Als sie in ein wahrhaft furchtbares Heim für ledige Mütter gebracht wird, will Catherine nur eines: ihr Kind retten - und behalten. Und sie weiß bald, dass sie dafür alles riskieren muss. 

Rezension: 

Nach vielen erfolglosen Kinderwunschbehandlungen muss Caroline sich damit auseinandersetzen, dass sie nie ein eigenes Kind bekommen wird. Ihre Ehe ist an ihren Anstrengungen zerbrochen und auch zu ihren Schwestern, die problemlos Kinder in die Welt setzen können, hat sie den Kontakt verloren. Halt gibt ihr eine Selbsthilfegruppe mit Frauen, die wie sie ungewollt kinderlos sind. Janet hatte bereits zahlreiche Fehlgeburten und die Befürchtung, dass ihr Ehemann sie betrügt. Natalie möchte unbedingt ein Kind, hat jedoch nicht damit gerechnet, dass ihre Freundin gar keinen Kinderwunsch verspürt. Ronnie ist mutter- und kinderlos und hat für sie alle ein offenes Ohr, kann jedoch nicht über ihre eigene Geschichte sprechen. 
Knapp 35 Jahre zuvor ist die 16-jährige Catherine schwanger und wird gezwungen, ihr Baby in einem von Nonnen geführten Mutter-Kind-Heim zur Welt zu bringen. Sie darf ihr Kind nicht behalten und wird von ihren Eltern verstoßen. In Dublin baut sie sich ungebrochen ein neues Leben auf und hält unverdrossen an ihrem Plan fest, ihre kleine Daisy wiederzufinden. 

"Warten auf ein Wunder" ist ein Roman, der auf zwei Zeitebenen handelt. In den 1970er-Jahren ist er aus der Perspektive von Catherine geschrieben, die mit viel Glück und einem faszinierenden Kampfgeist einem Mutter-Kind-Heim entkommen konnte, in dem sie ausgerechnet von Nonnen körperlich und seelisch drangsaliert wurde und der ihr ihr geliebtes Baby entrissen wurde. 
In der Gegenwart im Jahr 2010 wechseln die Perspektiven zwischen Caroline, Janet und Natalie, die sich in einer Selbsthilfegruppe in Dublin kennenlernen. Sie alle verbindet ein unerfüllter Kinderwunsch, was die Frauen inklusive der geheimnisvollen Ronnie zu Freundinnen werden lässt. 
Ohne sich in zu vielen medizinischen Details zu verlieren, sind die Schicksale der Frauen authentisch geschildert. Die seelischen und körperlichen Leiden sind spürbar und auch die Auswirkungen der Strapazen einer (erfolglosen) Kinderwunschbehandlung auf Beziehungen, Freundschaften, Familie, Selbstbewusstsein und die Rolle als Frau sind einfühlsam und nachvollziehbar dargestellt. Die Frauen der Selbsthilfegruppe haben alle dasselbe Ziel, aber unterschiedliche Hintergründe und Ausgangspositionen, was die Geschichte abwechslungsreich gestaltet. Bewegend ist zu lesen, unter welchen Belastungen sie leiden und wie der Kinderwunsch zur Besessenheit werden und das ganze Leben einnehmen kann. Gleichzeitig ist verständlich, dass sie trotz gescheiterter Versuche nie die Hoffnung aufgeben und jede auch noch so kleine Chance nutzen möchten, ihren Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Was sie sich und anderen damit antun, merken sie damit oft viel zu spät. 

Eine ganz andere Geschichte ist die von Catherine, die jedoch auch an einem schier aussichtslosen Wunsch festhält und damit ihr Leben stark einschränkt. Es ist faszinierend, wie schnell das Schweinebauernmädchen zu einer jungen Frau heranreift und wie viel Kraft und Ehrgeiz sie mobilisieren kann. Ihr drängendster Wunsch schwelt stets im Hintergrund, während sie ihr neues Leben in Dublin aufbaut. Dabei ist die Reise in die 1970er-Jahre sehr unterhaltsam, was auch an den bunten Figuren liegt, die Catherine kennenlernt und die sie warmherzig aufnehmen. 

Mir ist schleierhaft, warum der Roman im englischsprachigen Raum als "funny novel" beworben wird, denn diese Beschreibung trifft es nicht wirklich. Dazu beschreibt die Geschichte viel zu viele bewegende Schicksale und zu viele traurige Ereignisse. Durch den einfühlsamen Schreibstil, die liebevollen Beschreibungen der Charaktere, die Freundschaften und der Zusammenhalt, die sich auf jeweils auf beiden Zeitebenen entwickeln, ist der Roman jedoch auch nicht deprimierend, sondern hoffnungsvoll. Es ist eine dramatische Geschichte, die zu Herzen rührt und die lebensnah und glaubwürdig erzählt wird. Jedes der Schicksale ist auf seine Weise einnehmend und erhält in dem Roman genügend Raum zur Entfaltung.
Auch wenn Catherine im Vergleich zu anderen Büchern, die ich bereits über irische Mutter-Kind-Heime gelesen habe, viel Glück hatte, finanzielle Probleme bei den Kinderwunschbehandlungen komplett ausgeklammert wurden und die Verbindung der beiden Handlungsstränge für meinen Geschmack zu offensichtlich war, hat mir der Roman aufgrund seiner Authentizität und der sehr realistischen Darstellung von Wunsch und Wirklichkeit von Kinderwunschbehandlungen sehr gut gefallen. Auch das Ende, das ohne rührselige Happy-End-Momente auskommt, ist stimmig und passt zu der lebensechten Geschichte, in der die Autorin sicher auch ihre eigenen Erlebnisse verarbeitet hat. 

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