Mittwoch, 23. Oktober 2019

Buchrezension: Rindert Kromhout - Anders als wir

Inhalt:

Angelica wächst in einer Welt voller Freiheit, Kunst und Kultur auf. Sie wird ermutigt, ihren eigenen Weg zu gehen, sich selbst zu behaupten. Doch in dem Moment, wo sie beginnt, Freundschaften mit Gleichaltrigen zu schließen, entdeckt sie eine ihr unbekannte „normale Welt“. Erst jetzt fällt ihr auf, welch ungewöhnliches Leben ihre Familie führt. Sie beginnt sich nach Normalität zu sehnen, denn zu viel Freiheit kann auch bedrückend sein. 

Rezension: 

Im Frühling 1941 verschwindet die Schriftstellerin Virginia Woolf spurlos. Sie hat einen Brief hinterlassen, über dessen Inhalt sich Vanessa Bell, ihre Schwester, gegenüber ihren Kindern Quentin und Angelica ausschweigt. Die beiden Geschwister rätseln, wo ihre wundervolle, geistreiche Tante sein könnte, wobei die 16-jährige Angelica überzeugt ist, dass sie nicht zurückkommen wird. Sie beginnt Quentin, einem angehenden Schriftsteller, von ihren Erinnerungen zu erzählen. Aus Angelicas Eindrücken über Virginia entwickelt sich eine Geschichte über Angelica selbst, die bewegender ist, als Quentin je vermutet hätte. 

Angelica und Quentin sind in einer Familie voller exzentrischer Künstler aufgewachsen und vor allem die junge, sensible Angelica, die ein enges Verhältnis zu ihrer Tante Virginia pflegte, fühlte sich von ihrer Mutter Vanessa vernachlässigt, gar ignoriert. Ihr war stets alles erlaubt, Verbote oder strenge Worte gab es nicht. Als sie durch die Schule, in der sie ihr unangenehm von der Lehrerin gegenüber ihren Mitschülern bevorzugt wurde, Gleichaltrige kennenlernt, erfährt sie, wie diese leben und welche Beziehungen sie zu ihren Eltern haben. Sie lernt die "normale" Welt kennen und wünscht sich, auch so ein gewöhnliches Leben zu führen - einfach Kind zu sein statt von der grenzenlosen Freiheit überfordert zu werden. 

"Anders als wir" ist ein Jugendbuch, das auf Fakten und wahren Figuren basiert und ohne Weiteres von Erwachsenen gelesen werden kann. 
Es ist unheimlich interessant, durch die Erzählung mehr über die Künstlerfamilie um Virginia Woolf und Vanessa Bell, Angehörige der Bloomsbury Group, die Anfang des 20. Jahrhunderts schöpferisch tätig war, zu erfahren. Sehr anschaulich wird das etwas andersartige Leben der Schriftsteller, Maler und Verleger beschrieben, in der Kinder scheinbar keinen Platz haben. Aus Sicht der Kinder wird eindrucksvoll beschrieben, wie sich ihre Familienkonstellation, in der Vater und Mutter nicht zusammenleben, von anderen Familien unterscheidet und wie vor allem die Jüngste, Angelica, darunter leidet. Das Verschwinden ihrer Tante mit ihrem einnehmenden Wesen, die im Gegensatz zu ihrer Mutter mit ihr spielte oder mit ihr einkaufen ging, trifft sie besonders hart. Während sie gegenüber Quentin offen erzählen kann, bekommt sie den Eindruck, dass ihre Mutter auch für ihre Schwester nicht genügend da war und begegnet ihr vorwurfsvoll, ohne zu wissen, welche Wahrheit Vanessa und Virginia verbargen.  
Ihre Kindheit und Jugend bewegt und lässt das Verschwinden Virginia Woolfs in den Hintergrund treten. Dennoch bleibt es spannend zu erfahren, was mit ihr passiert ist und aus welchen Gründen, sie Monk`s House verlassen hat. 
Der Roman über die kleine Schwester Angelica hat mir so gut gefallen, dass ich nun auch "Brüder für immer", in der die beiden Söhne Vanessa Bells, im Vordergrund stehen, lesen möchte. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen