Mittwoch, 2. Oktober 2019

Buchrezension: Jojo Moyes - Wie ein Leuchten in tiefer Nacht

Inhalt:

1937: Hals über Kopf folgt die Engländerin Alice ihrem Verlobten Bennett nach Amerika. Doch anstatt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten findet sie sich in Baileyville wieder, einem Nest in den Bergen Kentuckys. Mächtigster Mann ist der tyrannische Minenbesitzer Geoffrey Van Cleve, ihr Schwiegervater, unter dessen Dach sie leben muss.
Neuen Lebensmut schöpft Alice erst, als sie sich den Frauen der Packhorse Library anschließt, einer der Bibliotheken auf dem Lande, die auf Initiative von Eleanor Roosevelt gegründet wurden. Wer zu krank oder zu alt ist, dem bringen die Frauen die Bücher nach Hause. Tag für Tag reiten sie auf schwer bepackten Pferden in die Berge.
Alice liebt ihre Aufgabe, die wilde Natur und deren Bewohner. Und sie fasst den Mut, ihren eigenen Weg zu gehen. Gegen alle Widerstände. 


Rezension: 

Die Engländerin Alice ist frisch verheiratet mit Bennett Van Cleve, dem Sohn eines reichen Bergminenbesitzers und dabei, ein neues Leben in Kentucky zu beginnen. Sie wohnt zusammen mit ihrem Mann und ihrem unbarmherzigen, überheblichen Schwiegervater und fühlt sich in dem Nest Baileyville, wo sie doch der Enge Englands entkommen wollte, alles andere als willkommen. Als Fremde ist sie isoliert und wird aufgrund ihres Akzents argwöhnisch betrachtet. Die Tage für sie sind lang, weshalb sie sich gerne bereit erklärt, das Projekt der Satteltaschen-Bibliothek, eine mobile berittene Bücherei, zu unterstützen. Diese soll das Wissen und Lernen derjenigen fördern, die abseits der Stadt in den Bergen wohnen oder älteren Menschen zur Abwechslung und Unterhaltung dienen. Eingearbeitet wird Alice von der resoluten Bibliothekarin Margery, in der sie eine Freundin findet. Auch wird Alice durch ihr Engagement bald von vielen Kunden der Bücherei akzeptiert und wertgeschätzt. 

Zu ihrem Mann verliert Alice dagegen jegliche Bindung. Er weist sie körperlich zurück und wird immer unnahbarer, bis Alice nicht mehr weiß, wen sie da eigentlich geheiratet hat. Auch das Zusammenleben mit ihrem Schwiegervater wird zunehmend schwieriger, der sich von den Bibliothekarinnen bedroht fühlt, die durch ihre Bücher die Menschen weiterbilden und zum Nachdenken anregen und letztlich die prekären Arbeitsbedingungen in seiner Mine anprangern. 

"Wie ein Leuchten in tiefer Nacht" ist ein Roman über engagierte, mutige Frauen, die sich selbstständig machen und gegen das Patriarchat in einem erzkonservativen Ort aufbegehren. Der Roman basiert auf einer wahren Geschichte, denn die Satteltaschen-Bibliothek unter der Schirmherrschaft von Eleanor Roosevelt gab es zwischen 1935 und 1943 wirklich. 

Es geht einerseits um den Aufbau einer mobilen Bücherei, die die Menschen mit Wissen versorgen und Kindern das Lesen näherbringen soll. Darüber hinaus ist es auch ein soziales Projekt, um die Menschen an abgelegenen Höfen aufzusuchen und in die Gesellschaft zu integrieren. Für die berittenen Bibliothekarinnen selbst ist die Bücherei vielmehr ein Symbol für ihre Unabhängigkeit und Freiheit, für einen Bereich, der nicht von Männern dominiert wird. Als diese begreifen, dass sie die Kontrolle über (ihre) Frauen und die Bücher als ein Mittel ansehen, um andere Menschen aufzuhetzen, beginnt ein ungleicher Kampf, der in körperlicher Gewalt gipfelt. 

Auch wenn der im Jahr 1937 handelt, ist die Geschichte so lebensnah beschrieben, dass man sich als Leser bildhaft an den verschlafenen Ort in Kentucky versetzen kann und die Situation der Menschen, insbesondere der fünf Bibliothekarinnen Margery, Alice, Sophia, Izzy und Beth, die alle einen unterschiedlichen Hintergrund und Erfahrungshorizont haben, nachvollziehen kann. Zudem werden mit Rassismus und Unterdrückung der Frau Themen angesprochen, die nach wie vor aktuell sind. 

Der Roman ist eine Hommage an das Lesen und die Liebe zu Büchern, dreht sich dabei um Freundschaft, Gerechtigkeit und die Rolle der Frau in den 1930er-Jahren in Amerika und erzählt darüber hinaus zwei ganz unterschiedliche, berührende Liebesgeschichten. Man spürt die Leidenschaft der Frauen für ihre Arbeit auf jeder Seite, sehen sie sich doch tagtäglich Gefahren ausgesetzt. 

"Wie ein Leuchten in tiefer Nacht" ist ein empathisch und glaubwürdig geschriebener, tiefgründiger Roman, der mal herzzerreißend, mal humorvoll ist und sich so spannend entwickelt, dass man ihn gar nicht mehr aus der Hand legen mag: Eine wunderschöne Geschichte und große Erzählkunst von Jojo Moyes!



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