Freitag, 28. September 2018

Buchrezension: Andreas Eschbach - NSA - Nationales Sicherheits-Amt

Inhalt: 

Was wäre, wenn es im Dritten Reich schon Computer gegeben hätte, das Internet, E-Mails, Mobiltelefone und soziale Medien - und deren totale Überwachung?

Weimar 1942: Die Programmiererin Helene arbeitet im Nationalen Sicherheits-Amt und entwickelt dort Programme, mit deren Hilfe alle Bürger des Reichs überwacht werden. Erst als die Liebe ihres Lebens Fahnenflucht begeht und untertauchen muss, regen sich Zweifel in ihr. Mit ihren Versuchen, ihm zu helfen, gerät sie nicht nur in Konflikt mit dem Regime, sondern wird auch in die Machtspiele ihres Vorgesetzten Lettke verwickelt, der die perfekte Überwachungstechnik des Staates für ganz eigene Zwecke benutzt und dabei zunehmend jede Grenze überschreitet.

Rezension: 

Helene Bodenkamp ist Anfang 20 und arbeitet als Programmstrickerin im Nationalen Sicherheits-Amt im Dritten Reich. Das NSA ist eine Behörde mit Sitz in Weimar, die noch unter Wilhelm II. gegründet wurde. Nach Ende des Weltkrieges im Jahr 1917 wurden die Aufgaben und Befugnisse des Amtes durch den ersten Regierungschef der Weimarer Republik, Philipp Scheidemann, neu geordnet. Es sollte alle technisch verfügbaren Daten sammeln und Datenströme im Netz der Komputer sowie der beweglichen Telephonie beobachten. Programmstrickerinnen wie Helene unterstützen dabei die Analysten des Amtes, indem sie die Massendaten nach festgelegten Kriterien und Fragestellungen aufbereiten. 

Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers geriet das Amt innerhalb der Bevölkerung zunehmend in Vergessenheit, das Gestapo, SA und SS in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen wurden. 
Während des Krieges gibt es Überlegungen, das Amt aufzulösen, da die Mitarbeiter für wichtigere Aufgaben an der Front oder in der Rüstung gebraucht würden. Der Leiter des Amtes, August Adamek, aber insbesondere der Analyist Eugen Lettke, der auf keinen Fall als Soldat einberufen werden möchte, möchten eine Auflösung des Amtes verhindern und beweisen, dass das Amt eine wichtige Stütze ist, um den Krieg gewinnen zu können. Am 5. Oktober 1942 ist deshalb der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, mächtigster Mann hinter Hitler, für eine Inspektion zu Besuch. Helene, als eine der fähigsten Programmstrickerinnen, demonstriert ihm die schier unendlichen Möglichkeiten der Auswertung der massenhaft vorhandenen Daten über jeden Bürger. Insbesondere die Fähigkeit, illegal versteckte Personen über den Verbrauch von Lebensmitteln pro Haushalt ausfindig zu machen, stößt auf großes Interesse. 

Helene befindet sich mit ihrer Tätigkeit, deren Auswirkungen ihr lange nicht bewusst waren, in einem Interessenkonflikt, versteckt sie doch seit Kurzem einen Fahnenflüchtigen, in den sie sich verliebt hat. 

"NSA - Nationales Sicherheits-Amt" ist ein Politthriller, der zur Zeit des Dritten Reiches spielt, in der die Technik aber so weit fortgeschritten ist, dass es Komputer, elektronische Briefe, bewegliche Telephone und ein Weltnetz mit Unterhaltungsforen gibt. Das NSA sammelt unkontrolliert Daten über jeden Bürger, die sich allein durch einen Einkauf oder die Nutzung des Telephons ergeben. Die Massendaten werden in Datensilos gesammelt und kommen unter anderem dann zur Auswertung, wenn es einen Hinweis darauf gibt, das sich ein Bürger nicht konform verhält. 

Es ist ein erschreckendes Szenario, das Andreas Eschbach aufbaut. Man fragt sich unweigerlich, wie die eigenen Daten im Internet, die bei Behörden, Versicherungen und Ärzten vorliegen, zweckentfremdet würden, wenn heute wieder ein Diktator in Deutschland an der Macht wäre und ob die Daten heute eigentlich sicher sind bzw. ob man zu unvorsichtig ist und zu viel von sich in sozialen Netzwerken preisgibt. 

Die Mischung aus historischem Hintergrund und zukünftiger Technologie ist anschaulich und nachvollziehbar dargestellt, da man die historischen Ereignisse und die Entwicklung des NSA durch einen Rückblick in die 20er- und 30er-Jahre aus der Perspektive von Helene miterlebt. 

Interessant ist dabei nicht nur die Einfachheit der Sammlung der Daten und die erschreckend leichte Bündelung und Aufbereitung derselben, um sie zur Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung zu nutzen. Die Spannung über die Verwendung der Daten wird vor allem dadurch gesteigert, dass Helene plötzlich persönlich von den Konsequenzen ihrer Tätigkeit betroffen ist und sich nicht nur um ihre eigene Sicherheit, sondern auch um die ihrer Freunde und ihres Geliebten fürchten muss. Wie kann sie die Tätigkeit bei der NSA noch mit ihrem Gewissen vereinbaren oder kann sie ihren direkten Zugriff auf die Daten für ihren eigenen Schutz verwenden? Und muss sie dann nicht auch versuchen, die Personen vor Verfolgung zu schützen, die durch ihre Recherchen als Bürger aufgedeckt werden, die den Gesetzen zuwider handeln?

Trotz des Umfangs des Romans von 800 Seiten hat der Roman keine Längen. Der Thriller überzeugt nicht nur durch die Recherche zur Historie, der perfekten Anpassung der Sprache an die damalige Zeit und die mühelosen Erklärungen der Technologie, die in die Geschichte eingebettet werden, sondern auch durch die Vielschichtigkeit der Charaktere und die bis zum Ende aufrechterhaltene Spannung, wie dieses Szenario enden kann. 


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