Mittwoch, 17. Mai 2023

Buchrezension: Salma El-Wardany - Alles, was wir uns nicht sagen

Inhalt:

Jenna, Kees und Malak – seit ihrer Kindheit sind sie befreundet. Zu dritt gegen die Welt, das haben sie sich geschworen. Täglich bewältigen sie den Spagat zwischen ihren eigenen Vorstellungen vom Leben und denen ihrer Familien, dabei sind sich die Freundinnen immer eine Stütze. Doch eine Nacht verändert plötzlich alles zwischen ihnen, und im Streit trennen sich ihre Wege. Malak reist Hals über Kopf nach Kairo, um endlich einen Mann zu finden, der ihre Wurzeln versteht. Kees zieht mit ihrem Freund Harry zusammen, doch ihre Eltern dürfen davon nichts erfahren, denn Harry ist weiß. Und Jenna stürzt sich ins Dating, aber das kann ihre Einsamkeit nicht überdecken. Die drei Freundinnen brauchen sich mehr denn je, doch werden sie sich verzeihen können? 

Rezension:

Seit ihrer Kindheit sind die Musliminnen Jenna, Kees und Malak beste Freundinnen, halten zusammen und unterstützen sich gegenseitig, wenn es darum geht, die Erwartungen ihrer streng religiösen Familien zu erfüllen - oder zumindest den Schein zu wahren. Je älter sie werden, desto schwieriger wird der Balanceakt zwischen Freiheit und Tradition. 
Malak wünscht sich einen Partner, mit dem sie die islamischen Traditionen leben kann, ist jedoch in den weißen Jacob verliebt, mit dem sie trotz seiner Bereitschaft zu konvertieren, keine gemeinsame Zukunft sieht. 
Kees liebt Harry, doch auch er ist ein weißer Katholik, weshalb sie ihn vor ihrer Familie versteckt und nicht zugeben kann, dass sie bereits schon eine Grenze überschritten haben, indem er fast jede Nacht in ihrem Apartment verbringt. 
Jenna interpretiert die Glaubensregeln wie sie es für richtig hält, geht auf Partys und hat ihren Spaß mit losen Partnerschaften, ist in ihrem Herzen jedoch rastlos und einsam. 
Als ihre Studienzeit endet, verändert ein Abend im Streit alles, als sie sich Wahrheiten konfrontieren, die sie nicht hören möchten. Die Freundschaft der drei jungen Frauen bricht und so versucht jede für sich, Erwartungen, Glaube und ihr persönliches Glück in Einklang zu bringen, bis sie Monate später feststellen, dass es nur die Freundinnen sind, auf die am Ende Verlass ist. 

Nach einem Streit schon früh zu Beginn des Romans driftet die Freundschaft der drei Frauen zwischen Anfang und Mitte 20 auseinander und sie gehen weitgehend getrennter Wege. Malak verlässt ihren britischen Freund und geht nach Ägypten, um Arabisch zu lernen, aber vor allem auch um sich über ihren weiteren Lebensweg klar zu werden und lernt dort Ali kennen, der sie anbetet und mit dem sie ihre Vorstellungen eines perfekten traditionellen muslimischen Lebens umsetzen kann. Doch blind vor Liebe und Dankbarkeit für diesen Mann beginnt Malak sich selbst zu verlieren.
Kees entscheidet sich nach der Hochzeit ihrer jüngeren Schwester dafür, Harrys Heiratsantrag anzunehmen und bricht damit mit ihrer Familie. Auch wenn sie mit Unverständnis ihrer Eltern gerechnet hat, ist der Schmerz des Alleingelassenwerdens überwältigend, den sie zudem nicht einmal mit ihren Freundinnen teilen kann.
Jenna krempelt ihr Leben nach einem einschneidenden Erlebnis um, ändert ihren Lebensstil und bindet sich an Mo, zu dem sie bisher nur ein lockeres Verhältnis pflegte. Bald schon nimmt er ihr Leben komplett ein und sie tut alles, um ihm zu gefallen.

Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven der drei Frauen geschildert, die schon bald kaum noch in Kontakt miteinander stehen. Nach dem Streit waren sie sich fremdgeworden und keine war in der Lage, den ersten Schritt zu einer Versöhnung zu machen. So machen sie ihre nächsten Erfahrungen im Umgang mit Partnern und Familie allein und fühlen sich jede auf ihre Weise einsam.

Der Roman ist empathisch geschrieben, so dass man sich leicht in die Hauptfiguren hineinzuversetzen und ihre verwirrenden Gefühle nachempfinden kann. Dabei ist weniger die Fremdheit von Muslimen in einem westlichen, christlich geprägten Land das Thema sondern das Verhältnis zur eigenen Familie und zu Liebespartnern, zu Glaube und Tradition und dem Wunsch nach Freiheit und Glück. 
Alles scheint in einem großen Gegensatz zu stehen, das eine mit dem anderen nicht möglich, so dass die Handlung von zahlreichen Konflikten, Wut, Angst, Enttäuschung und Schmerz geprägt ist. Es ist erstaunlich, wie viel Einfluss die Erwartungen anderer auf das eigene Leben haben können und unter welchen enormen Druck die Frauen stehen. Sie sind gezwungen sich zwischen zwei Welten zu entscheiden, die sie eigentlich miteinander vereinbaren wollen. Durch eine unfassbare Borniertheit, Intoleranz und sturem Festhalten an alten Traditionen erscheint dies selbst im 21. Jahrhundert ein Ding der Unmöglichkeit.
So hofft man, dass Kees, Malak und Jenna in ihren schlimmsten Zeiten des Leids und der Einsamkeit wieder zu einander finden werden und sich gegenseitig Halt geben können.

Die Geschichte zeigt eindrücklich und auf dramatische Weise wie drei beste Freundinnen durch das Leben und die Liebe navigieren, während sie dennoch an ihrem muslimischen Glauben und ihren Familienwerten festhalten. Dabei ist spannend zu erfahren, welchen Hindernissen Kees, Malak und Jenna begegnen und ob sie eine Möglichkeit finden, diese zu umgehen. Neben den Widerständen, die sich aus der Tatsache ergeben, dass Kees, Malak und Jenna Musliminnen sind, die in streng religiösen Familien aufgewachsen sind und ihren Glauben aktiv praktizieren, werden sie zusätzlich mit Problemen konfrontiert, die universal sind. Es geht um Freundschaft und Toleranz, um Liebe, Abhängigkeit und toxische Beziehungen, um den Wunsch nach Freiheit und den Mut, seinen eigenen Weg zu gehen. 
Es ist eine lebendige und emotionale Geschichte, bei der Freud und Leid eng beieinander liegen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen