Montag, 21. November 2022

Buchrezension: René Anour - Die Totenärztin: Wiener Blut (Die Totenärztin-Reihe, Band 1)

Inhalt:

Wien, 1908. Als ein toter Obdachloser in der Gerichtsmedizin eingeliefert wird, schenkt niemand ihm einen zweiten Blick – niemand außer der jungen Ärztin Fanny Goldmann. Ihr fallen Ungereimtheiten auf, aber keiner ihrer männlichen Kollegen will auf sie hören. Daher obduziert sie die Leiche nachts heimlich. Eine gefährliche Entscheidung, denn plötzlich findet sie sich mitten in einer tödlichen Verschwörung rund um einen charismatischen Dieb und Kaiserin Sissis verschwundene Diamantsterne wieder. Ihre Ermittlung führt Fanny von den mondänen Salons und prunkvollen Palais der Oberschicht bis in die schäbigen Spelunken und Bordelle der Wiener Unterwelt. Hier lauert an jeder Ecke der Tod, dessen Opfer Fanny auf ihrem Sektionstisch ihre intimsten Geheimnisse offenbaren. 

Rezension: 

Fanny Goldmann ist studierte Medizinerin und arbeitet als Prosekturgehilfin in der Wiener Pathologie. Ihr Bestreben ist es, den Toten eine Stimme geben. Als Frau hat sie im Jahr 1908 einen schweren Stand und wird als Ärztin nicht ernst genommen. 
Als ein angeblich Obdachloser tot eingeliefert wird, der eines natürlichen Todes verstorben sein soll, fallen Fanny Ungereimtheiten auf. Offenbar wurde der Mann mit einer Überdosis Morphium getötet, wie auch eine tote Frau der gehobenen Wiener Schicht, die mit einem Messer in der Brust der Gerichtsmedizin übergeben wird. Fanny kann nicht hinnehmen, dass der Täter ungesühnt davonkommt und beginnt eigenmächtig mit Recherchen, die sie bis in die Wiener Unterwelt führen. Dabei trifft sie auf einen Polizisten, der den Tod seines Vaters rächen möchte. 

"Wiener Blut" ist der erste Band der inzwischen vierteiligen Reihe um "Die Totenärztin". 
Es ist ein historischer Kriminalroman, der die/ den Leser*in anschaulich in das 1908 nach Wien versetzt. Auch die Beschreibungen in der Pathologie sind sehr blumig und in ihrer Detailliebe nichts für zartbesaite Gemüter. Der Schreibstil zeugt von trockenem Humor, ohne dass die Ernsthaftigkeit des Kriminalfalls darunter leiden würden. 

Fanny ist eine sympathische, aber auch eine etwas naive junge Frau, die sich blauäugig in Gefahr begibt, um Gerechtigkeit walten zu lassen. 
Mit der Einbeziehung des zu dem Zeitpunkt vor zehn Jahren verübten Mordes an Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn und dem Diebstahl einer ihrer wertvollen Haarsterne hat der fiktive Roman einen historischen Hintergrund, der für den Kriminalfall allerdings literarisch ausgeschmückt wurde.  

Die Geschichte ist wendungsreich und turbulent und mit so manch amüsanter Szene (der Zugführer oder der Widder im Bordell), lebendigen Dialogen und vielseitigen Charakteren sehr unterhaltsam. Neben dem Kriminalfall, der durch die lebhafte Geschichte um eine junge Medizinerin, die sich liebevoll um ihren kranken Vater kümmert, immer wieder ein wenig in den Hintergrund gerät, stellt der Roman bildhaft die ersten Schritte der Gerichtsmedizin und die Rolle der Frau in Beruf und Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts dar. 
Beste Unterhaltung, Spannung und ein wenig Herzklopfen - der Auftaktband macht neugierig auf weitere Teile der Reihe. 

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