Samstag, 26. März 2022

Buchrezension: Hans Walker - Bergers unverhoffte Reise

Inhalt:

Deutschland, Anfang 1970: Willy Brandt ist Bundeskanzler, das Album "Abbey Road" von den Beatles stürmt die Charts - und der 22-jährige Student Max aus der süddeutschen Provinz erhält ein ungewöhnliches Angebot: Ein Jahr lang soll er als Hauslehrer die Kinder einer deutschen Familie in Indonesien unterrichten. Aber schon die Überfahrt nach Asien wird zu einem großen Abenteuer, geprägt von den Mitreisenden, ihren Emotionen, Dramen und Geheimnissen. Da ist neben den zwei lebhaften Schülern von Max auch deren Mutter, für die er mehr als nur freundschaftliche Gefühle empfindet. Da sind der Schweizer Schriftsteller mit Schaffenskrise und ein holländisches Ehepaar, das trotz der Nähe an Bord immer weiter auseinanderdriftet. Da ist vor allem die geheimnisvolle, sehr attraktive Gräfin, von der sich Max gleichzeitig hingezogen und abgestoßen fühlt. Doch im Laufe der vierwöchigen Passage entwickelt sich zwischen ihm und der deutlich älteren Adeligen etwas, das sein Leben für immer verändert. 

Rezension:

Im Jahr 1970 befindet sich das Frachtschiff "Holsatia" auf dem vierwöchigen Weg von Rotterdam in den Indischen Ozean nach Asien. Psychologiestudent Max Berger hat das Angebot seiner gut zehn Jahre älteren Bekannten Anne Stoll angenommen, ihre Kinder Alex und Lotte als Hauslehrer in Medan in Indonesien zu unterrichten. Bereits an Bord des Schiffes, das nur acht Passagiere befördert, ist die Stimmung zwischen Max und Anne angespannt, denn er empfindet mehr für sie als nur Freundschaft. 
Auch die weiteren Mitreisenden, darunter das holländische Ehepaar Julia und Henk de Boer, die ihren Sohn Kees in Malaysia besuchen möchten, Gräfin Bettina Orsini-Burgstedt auf dem Weg nach Jakarta zu ihrem Ehemann und der Schweizer Buchautor Urs Leuthenbacher auf dem Weg nach Singapur, bergen ihre Geheimnissen und persönlichen Konflikte. 

Durch Gespräche untereinander und Erinnerungen an Vergangenes erfährt man die jeweiligen Geschichten hinter den Passagieren. Sie handeln insbesondere von Beziehungskonflikten und unausgesprochenen Wahrheiten. Jeder von ihnen scheint auf dem Weg nach Asien auch zu einer Reise zu sich selbst zu sein. Während sie zu Beginn noch wenig von sich Preis geben, kommen sich die Passagiere im Laufe der Reise auf begrenzten Raum unweigerlich nahe und öffnen sich. Einerseits fällt es ihnen leichter, Fremden gegenüber unausgesprochene Wahrheiten zu offenbaren, andererseits erhofft sich manch einer mehr Zwischenmenschliches von dem Kontakt. 

Im Zentrum der Handlung steht Hauslehrer Max, aber auch die anderen Passagiere lernt man mit der Zeit besser kennen und verstehen. Jeder dieser inneren Konflikte ist auf seine Weise interessant, auch wenn er nur in aller Kürze abgehandelt werden kann, denn das Buch fasst im Vergleich zur Zahl der Charaktere nur wenige Seiten. Die Probleme und zwischenmenschlichen Konflikte können deshalb nur angerissen werden, was gut zu der zeitlich und räumlich begrenzten Schiffsreise passt, bleiben damit aber auch etwas oberflächlich und ohne dass es für alles eine zufriedenstellende Lösung geben kann. 

Ich mochte die Atmosphäre auf dem Schiff und dass auch die Crew, die sich fürsorglich um ihre wenigen Passagiere kümmert, nicht außen vor bleibt. Zudem erfährt man durch Max' Unterricht, der die Überfahrt des Schiffes in ihn integriert, mehr über die Abläufe, Technik und die Aufgaben der Besatzung. 

Der Blick hinter die Fassade der Passagiere mit ihren Geheimnisse, die sich allmählich offenbaren, ist gelungen. Weiterhin wird durch die Dreierkonstellation mit Max, Anne und Bettina Spannung erzeugt, da ihre Gefühlswelten unsicher sind und keine klaren Grenzen gezogen werden. Kein Charakter ist unsympathisch oder eindimensional, weshalb man unvermeidbar mit ihnen hofft, dass sie auf ihrer inneren Reise zu einer Entscheidung und zu mehr Glück und Zufriedenheit finden sowie zwischenmenschliche und persönliche Konflikte lösen können. 

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