Bevölkerungsschwund, Bioterrorismus und Medikamentenknappheit gehören im England der nahen Zukunft zum Alltag. Die Regierung hat deshalb ein ebenso radikales wie fatales Gesetz erlassen: Personen über siebzig bekommen keine Antibiotika mehr. Werden sie krank, bleibt ihnen nur noch das Warten auf den Tod oder der Suizid. Kate ist Krankenschwester, doch statt ihre Patienten gesund zu pflegen, hilft sie ihnen nun beim Sterben. Nach einem dramatischen Ereignis beschließt Kate, sich auf die Suche nach ihrer Mutter zu machen, und stößt auf ein lange gehütetes Geheimnis.
Rezension:
In naher Zukunft sprechen die Mehrheit der Bakterien nicht mehr auf Antibiotikabehandlungen an, die Anzahl resistenter Superbakterien wächst. Grund ist der fahrlässige Umgang mit Antibiotika durch die Behandlung von Nutztieren, wodurch sie in die Nahrungskette gelangten und das frühzeitige Absetzen der Medikamente bei Erkrankungen. Um die noch wirkungsvollen Antibiotika zu sparen, wurde in England ein Gesetz erlassen, dass Patienten über 70 Jahre vom Zugang zu Antibiotika ausschließt. Schon harmlose Infektionen stellen schließlich das Todesurteil dar. Kate Connelly arbeitet als Krankenschwester auf einer Isolierstation, wo sie erkrankten Menschen Beihilfe zum Suizid leistet.
Radikale Pro-Leben-Aktivisten protestieren gegen die Regierung und die Gesetzgebung und bedrohen die Angestellten in solchen Krankenhäusern. Auch Kate wurde bereits körperlich attackiert. Ihre Adoptivmutter ist vor Kurzem gestorben, da auch ihr im fortgeschrittenen Alter nicht mehr geholfen werden konnte. Am Todesbett riet sie Kate nach ihrer leiblichen Mutter zu forschen, die sie nie kennengelernt hat.
Lily Taylor steht kurz vor der Schwelle, dem 70. Geburtstag. Sie leidet an Arthritis und ist in einer luxuriösen Seniorenresidenz untergebracht, wo sie liebevoll umsorgt wird. Als sie eine Postkarte von einem anonymen Absender erhält, wird sie von ihrer Vergangenheit, die sie so lange erfolgreich verdrängen konnte, eingeholt.
Ungefähr 47 Jahre zuvor, 27 Jahre vor der "Großen Krise" forscht die Engländerin Dr. Mary Sommers in Südafrika als Botanikerin an einem Heilmittel gegen Tuberkulose. Unter dem Druck von Pharmakonzernen und Wissenschaftlern, die den Tod weniger Menschen in Kauf nehmen, um eine Mehrheit zu retten, gerät Mary zunehmend in einen Interessenkonflikt, denn sie hat sich in einen der Pharmakologen verliebt.
"Der letzte Weg" handelt von der Antibiotikakrise, einem Zukunftsszenario, das - nicht nur vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie - erschreckend realistisch ist. Multiresistente Keime, ein Bevölkerungsschwund, Bioterrorismus, Medikamentenknappheit und eine Ungleichbehandlung von Patienten abhängig von ihrem Alter prägen den Alltag in naher Zukunft. Grenzen sind geschlossen und die Menschen stehen unter permanenter medizinischer Aufsicht um eine Verbreitung von Krankheiten zu verhindern. Abende in Diskotheken oder spontane Umarmungen sind undenkbar.
Die Beschreibungen dieser schon fast apokalyptischen Zukunftsvorstellung wirken authentisch und werden durch die die vorgestellten Charaktere und ihre Familien lebendig. Die Arbeit als Krankenschwester, die für Kate überwiegend bedeutet, den Patienten zu einem schnellen Tod zu verhelfen, ist grausam und auch die Angst alter Menschen, die sich fast ausschließlich in steriler Umgebung aufhalten müssen, beklemmend.
Die Autorin verwendet Fachbegriffe, überfordert die/ den Leser*in jedoch nicht. Die Geschichte bleibt durchgehend nachvollziehbar und schlüssig. Die Wechsel der Perspektiven sorgen für Abwechslung und Mini-Cliffhanger, während die Einschübe aus Zeitungsartikeln die Fiktion noch bedrohlicher wirken lassen.
Es ist eine Mischung aus Medizin-Thriller, Dystopie und Familientragödie, die nicht nur aufgrund des bedrückend realistisch beschriebenen Zukunftsszenarios sondern auch durch die Einzelschicksale der Charaktere spannend und gleichzeitig emotional berührend beschrieben ist.
Am Ende bleibt nur zu hoffen, dass diese Geschichte keine Prophezeiung, sondern eine Warnung ist, rechtzeitig einzulenken, um ein solches katastrophales Szenario zu verhindern, das nicht nur die Todeszahlen in die Höhe schießen lässt, sondern auch Sozialneid hervorruft und Bürgerkriege provozieren könnte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen