Freitag, 2. August 2019

Buchrezension: Anja Jonuleit - Herbstvergessene

Inhalt:

Für eine Versöhnung ist es zu spät: Zehn Jahre lang hat Maja Sternberg keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter Lilli gehabt – jetzt ist Lilli tot. Die Polizei in Wien spricht von Selbstmord. Doch daran mag Maja nicht glauben. In der Wohnung ihrer Mutter findet sie deren Geburtsurkunde: Der Name des Vaters fehlt. Als Geburtsort ist Hohehorst eingetragen. Ein Foto zeigt Großmutter Charlotte mit einem Baby, doch dieses dunkle Baby hat keinerlei Ähnlichkeit mit der hellblonden, blauäugigen Lilli. Von Schuldgefühlen und Neugier getrieben, begibt Maja sich auf die Spurensuche und stößt auf ein dunkles Familiengeheimnis, das alle Gewissheiten in ihrem Leben mit einem Schlag zunichtemacht. 

Rezension: 

Maja Sternberg hatte seit Jahren ein distanziertes Verhältnis zu ihrer in Wien lebenden Mutter Lilli. Als sie von ihr angerufen und zu einem Treffen gedrängt wird, fährt sie nur widerwillig hin und erfährt vor Ort, dass ihre Mutter am Morgen von Majas Ankunft tödlich von ihrer Terrasse gestürzt ist. Aufgrund einer vorliegenden Krebsdiagnose schließt die Polizei ein Fremdverschulden aus. Maja kann allerdings nicht an einen Selbstmord glauben und stößt bei der Durchsicht des Nachlasses auf mehrere Ungereimtheiten, die ihr keine Ruhe mehr lassen. Sie findet ein Foto ihrer Großmutter Charlotte, auf der sie ein Baby im Arm hält, das nicht ihre Mutter Lilli sein kann. Zudem soll ihre Großmutter ihre Memoiren verfasst haben, wovon aber nur 50 Seiten auffindbar sind, die sie an einen Verlag geschickt hatte. 
Es stellt sich heraus, dass Charlotte im Herrenhaus Hohehorst, einem Lebensborn-Heim der Nationalsozialisten, 1944 ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hat. Während ihrer Suche nach der Wahrheit und nach einem unbekannten Großvater, der noch leben könnte, fühlt sich Maja zunehmend beobachtet und verfolgt. 

Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt, wobei die Gegenwart aus Majas Sicht den größten Anteil hat. Die Geschichte wird durch die Autobiographie ihrer Großmutter unterbrochen, die die Umstände ihrer Schwangerschaft und ihre Zeit in dem von der SS geführten Lebensborn-Heim schildert. 
Maja empfand ich als Protagonisten etwas unzugänglich und wenig sympathisch. Die Familiengeschichte liest aber dennoch durchweg spannend. Gegenwart und Vergangenheit werden flüssig miteinander verknüpft und fesseln den Leser durch Mini-Cliffhanger an den jeweiligen Kapitelenden. 
Historisch interessant fand ich es, etwas über den von Heinrich Himmler gegründeten Lebensborn-Verein zu erfahren, ein während der NS-Zeit von der SS getragener Verein, dessen Ziel es war, ungewollt Schwangere dabei zu unterstützen, "arische" Kinder auf die Welt zu bringen. So sollten vor allem unverheiratete Frauen und Mädchen die Möglichkeit einer anonymen Entbindung erhalten, um Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern, Dass Majas Großmutter formal nicht die Voraussetzungen für die Aufnahme in Hohehorst erfüllte, macht ihren auf einer Lüge aufgebauten Aufenthalt dort genauso brisant wie die Gefahr, der sich Maja beim Aufwühlen ihrer Familiengeschichte aussetzt. 






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