Samstag, 11. August 2018

Buchrezension: Fleur Smithwick - Wo du auch bist

Inhalt: 

In ihrer Kindheit waren sie unzertrennlich: Alice und Sam, der imaginäre Freund, der ihr nach der Scheidung der Eltern durch eine schwere Zeit half. Zwanzig Jahre später stellt ein tragischer Autounfall Alices Welt erneut auf den Kopf. Sie erwacht aus dem Koma – und Sam ist wieder da. Er bringt sie zum Lachen, führt sie langsam ins Leben zurück. Doch Sam will mehr, und vor allem will er nicht, dass Alice ihrer Jugendliebe Jonathan wieder näherkommt. Fast zu spät erkennt Alice, in welcher Gefahr sie schwebt. 

Rezension: 

Alice wird auf dem Rückweg von der Hochzeit ihres Vaters in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ihr bester Freund Rory Walker kommt dabei ums Leben, sie wird schwer verletzt. Als sie aus dem Koma erwacht, sieht sie ihren imaginären Freund aus ihrer Kindheit, Sam, wieder, der ihr über die Zeit der Trauer hinweg hilft. Er nimmt in ihrem Leben jedoch immer mehr Raum ein, ist besitzergreifend und eifersüchtig auf Alices Jugendschwarm Jonathan Walker, den älteren Bruder von Rory. Alice kann keinen Schritt mehr ohne Sam gehen und die Tatsache, dass er für sie schon fast real wirkt, führt dazu, dass Familie und Freunde sie zu einer Therapie bewegen möchten. Doch Sam weiß dies zu verhindern, da er Angst hat, ganz zu verschwinden, wenn Alice sich von ihm löst. 

"Wo du auch bist" ist eine gelungene Mischung aus einem Roman über eine einsame Frau und ihre Form der Trauerbewältigung und einem Psychothriller um einen Stalker. 
Der Roman schildert abwechselnd Vergangenheit, Alices Kindheit mit Sam, den sie brauchte, um die Scheidung ihrer Eltern zu verkraften, und ihre enge Bindung an die Familie Walker, die ihr mehr Fürsorge und Geborgenheit entgegenbrachte, als ihre eigenen Eltern, und Gegenwart, als Sam nach dem schweren Unfall und dem Verlust ihres besten Freundes wieder für Alice zu einer festen Bezugsperson wird. Sie redet - auch in Gegenwart anderer - ganz offen mit ihm, als würde er tatsächlich existieren, auch wenn sie weiß, dass Sam nur ihrer Fantasie entspringt. Er bietet ihr einerseits Schutz und bewahrt sie vor Einsamkeit, mischt sich aber immer mehr ein, so dass Alice ihr Kontrolle über ihr eigenes Leben zu verlieren scheint und sogar Angst vor Sam bekommt. 

Sowohl Vergangenheit als auch Gegenwart sind sensibel geschildert. Die unglückliche Kindheit Alices hat Spuren hinterlassen, die bis in die Gegenwart nachhallen. Nach dem Verlust des besten Freundes nimmt Alices Bindung zu ihrem imaginären Freund, die bei Kindern vielleicht nichts außergewöhnliches ist, eine ungesunde Entwicklung. Einerseits braucht sie ihn bei emotionalen Ausnahmezuständen, andererseits schränkt er ihr Leben massiv ein. Ihre Gefühle für Jonathan, der zehn Jahre älter ist als sie und für den sie schon als junges Mädchen geschwärmt hat und seit ihrer Jugend heimlich liebt, sind Sam ein Dorn im Auge. 

Es bleibt bis zum Schluss spannend, ob sich Alice der Realität stellen kann und von alleine die Kraft und auch den Mut findet, Sam gehen zu lassen oder ihn weiterhin Teil ihres Lebens sein lässt - mit allen Konsequenzen, die sich daraus für sie und ihre Wahrnehmung durch andere ergeben. Gleichzeitig fragt man sich, ob ihre Liebe zu Jonathan eine Chance hat oder ob sich Alice auch da aufgrund falscher Vorstellungen verrennt. Regelrecht beklemmend ist, dass Alice in manchen Situationen mit Sam Angst vor einem Phänomen hat, dass sich ihr Unterbewusstsein als Hilfestellung geschaffen hat. 



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