Montag, 8. Mai 2017

Buchrezension: Saskia Hirschberg - Vor, nach und zwischen dir

Inhalt:

Wie viele Chancen bekommt man für die große Liebe und was macht man, wenn man jede einzelne vergeigt hat? Und damit meine ich so richtig vergeigt!

Ich setze mich in dem Fall in den Kleiderschrank und wühle heimlich in dem zerfledderten Pappkarton, auf dem in Großbuchstaben "SECRET" steht, was übersetzt eigentlich "ANDREW" heißt. Die Ausdrucke seiner E-Mails, die an den gefalteten Stellen kaum noch lesbar sind, könnte ich selbst unter Vollnarkose auswendig aufsagen, und die alten Fotos sind nice to have, aber überflüssig, weil ich sein Gesicht auch nach all den Jahren noch aus meinem Gedächtnis heraus malen könnte. Mal abgesehen davon, dass ich nicht gerade Picasso bin und maximal ein Strichmännchen dabei rumkommen würde. Aber Fakt ist, auch nach zwölf Jahren wäre jedes Grübchen und jedes Muttermal an seinem Platz.
Doch wo ist Andrew eigentlich heute? Lebt er auch dieses "normale" Leben, das mich manchmal so erdrückt, und ist er vielleicht sogar glücklich dabei? Denkt er noch manchmal an mich, oder ist das wieder so ein typisches Frauending? Diesen einen Mann zu haben, der für immer in irgendeiner Ecke unseres Herzens rumlungert und nie ganz verschwinden wird?
Zwölf Jahre VOR, NACH UND ZWISCHEN DIR. Zwölf Jahre mit dir und ohne dich. Und jetzt soll ich dich noch mal treffen? In mir schreit alles klar und deutlich NEIN, nur die vorlaute Stimme in meinem Kopf, die mir ständig mit ihrer frechen Klappe in meine Entscheidungen quatscht, steht schon im Badezimmer und legt Make-up auf.

Rezension:


Sandra ist 18 Jahre alt und in einer Beziehung mit Jan, als sie den Soldaten der Army, Andrew, der in Deutschland stationiert ist kennenlernt. Beide haben sofort sehr intensive Gefühle füreinander und hoffen jeden Freitag auf ein Treffen in Sandras Stammdisco. Sie tauschen Zärtlichkeiten aus, lassen den anderen aber nie so richtig an sich heran, da Andrews Aufenthalt in Deutschland begrenzt ist.

Andrew wird in den Irak versetzt, wo er 18 Monate stationiert ist. Sandra kann ihn nicht vergessen und sie halten den Kontakt auch über E-Mails aufrecht. Dieser schläft erst ein, als es zu einem Missverständnis zwischen den beiden kommt und sich Sandra zurückzieht. Sie studiert inzwischen und hält sich zu dem Zeitpunkt als Andrew wieder zurück nach Deutschland kommt, in London während eines Auslandssemesters auf. Andrew geht daraufhin zurück in die USA.

Sandra kann ihn immer noch nicht loslassen und stellt über das Internet wieder den Kontakt zu ihm her. Sie besucht ihn sogar in den USA, wo sie einen Sommer gemeinsam verbringen. Zu einer festen Beziehung kommt es allerdings nie und dann hören sie auch über Jahre nichts mehr voneinander.

Sandra "stalkt" Andrew noch immer im Internet und stellt fest, dass Andrew seine Freundin in zwischen geheiratet hat und Vater geworden ist. Auch Sandra ist inzwischen verlobt. Wegen einer Spam-E-Mail kommen sie wieder in Kontakt und sehen sich sogar bei einer Hochzeit von Freunden wieder, wo sie über die Gefühle der Vergangenheit austauschen und klar wird, dass sie ein Paar geworden wäre, wenn Sandra sich festgelegt hätte.

Als Leser taucht man unmittelbar in die Gedankenwelt von Sandra ein, da der Roman fast ausschließlich aus ihren inneren Monologen besteht und die Handlung an sich eher reduziert ist. Ich tat mich schwer damit, die Passivität der Protagonisten nachzuvollziehen. Man begreift zwar, dass sich Andrew und Sandra lieben, versteht aber nicht, warum sie sich einander nicht offenbaren bzw. ihre Gefühle viel eindeutiger zeigen. Das Buch beschreibt über 12 Jahre das Gefühlschaos von Sandra und ihrer unerfüllten Liebe zu Andrew.

Das Hin und Her zwischen den beiden strapazierte meine Nerven, weil ich es einfach nicht verstanden habe. Am Ende hatte ich fast schon Mitleid mit Sandra, das sie wegen ein paar Missverständnissen und ihrer jugendlichen Unbeholfenheit Jahre ihres Lebens verschwendet hat. Andrew ist ein Mensch, den sie nie vergessen wird und den sie selbst vermutlich auch nie loslassen wird, was grundsätzlich nicht schlimm ist, solange man sein Leben weiterlebt und nicht beim kleinsten Zeichen hofft, dass es doch noch zu einem Happy End kommt.

"Vor, nach und zwischen dir" ist ein Roman für all diejenigen, die an die große Liebe glauben, die nicht immer schön sein muss. Es ist ein Roman über Hoffen und Bangen, eine unerfüllte Sehnsucht, aber auch vom Aufgeben der Träume, Abschiednehmen und Loslassen.
Mir fehlten jedoch die tiefen Gefühle der beiden, die das lange Hoffen auf ein Happy End gerechtfertigt hätten. Zudem fiel es mir schwer, Verständnis für Sandras selbst auferlegte Qualen zu finden, weshalb mich die Geschichte nicht in der Art wie erhofft berühren konnte.

Als ich den Klappentext las, bin ich auch irgendwie davon ausgegangen, dass der Roman in der Gegenwart spielt und Sandra aufgrund eines Wiedersehens mit Andrew auf ihre Anfänge zurückblickt. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Geschichte der beiden wird chronologisch erzählt.

Der Schreibstil der Autorin ist allerdings angenehm flüssig, so dass der Roman trotz einiger Längen und aufgrund der Zweisprachigkeit doppelten Dialoge, die dem Lesefluss meiner Meinung nach nicht förderlich sind, leicht zu lesen ist. 


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