Mittwoch, 31. Mai 2017

Buchrezension: Jutta Maria Herrmann - Amnesia - Ich muss mich erinnern

Inhalt:

Du hast nichts zu verlieren.

Du hast eine mörderische Wut.
Und du kannst dich an nichts erinnern …
Als die Berlinerin Helen die Diagnose Krebs im Endstadium erhält, ist es ihr einziger Wunsch, sich vor ihrem Tod endlich mit ihrer Mutter auszusöhnen, zu der sie ein schwieriges und distanziertes Verhältnis hat. Bei ihrer Familie in der südwestdeutschen Heimat angekommen, muss sie dann schockiert erfahren, dass ihre schwangere Schwester Kristin von ihrem Ehemann Leon misshandelt wird. Am liebsten würde Helen Leon dafür umbringen, zu verlieren hat sie ja nichts mehr. Aber einen Menschen töten? Helen glaubt nicht, dass sie dazu wirklich fähig ist.
Am nächsten Morgen allerdings ist Leon tot – und Helen, die Medikamente mit schwersten Nebenwirkungen nimmt, hat keinerlei Erinnerung an die vergangene Nacht. Amnesie...

Rezension:

Helen ist unheilbar an Krebs erkrankt, hat derzeit eine Pause von der Chemotherapie und fährt in ihre Heimat im Saarland, um von ihrer Familie Abschied zu nehmen und sich mit ihrer Mutter zu versöhnen.

Sie wohnt bei ihrer jüngeren Schwester Kristin, zu der sie nur sporadisch in Kontakt gestanden hat und die jetzt mit Leon verheiratet ist, von dem sie ein Kind erwartet. Der gut aussehende und gut betuchte Leon war einmal ein Jugendschwarm von Helen, der sich jedoch dann an ihrer besten Freundin Gela vergangen hat. Als Helen die heftigen Streits zwischen Kristin und Leon mitbekommt und die Verletzungen an ihrer Schwester sieht, geht sie davon aus, dass Leon sie schlägt, obwohl Kristin dies abstreitet.

Aufgrund der Krebserkrankung nimmt Helen Beruhigungsmittel zu sich, deren Nebenwirkungen Halluzinationen und Erinnerungslücken verursachen. Auch als sie selbst merkt, dass sie immer häufiger Dinge vergisst, schlecht träumt und ihr inzwischen ganze Stunden abhanden kommen, in denen sie nicht weiß, was sie getan hat, nimmt sie die Medikamente weiterhin ein.
Als sie in ihrer Tasche ein Kochmesser ihres Exfreundes Sven voller Blut findet, kann sie sich das nicht erklären... Dann wird Leon tot aufgefunden, den sie in Gedanken am liebsten hätte töten wollen, aber der Meinung war, dass sie keinen Menschen töten könnte. Als sie wiederum nicht weiß, was sie in der Todesnacht von Leon getan hat und auch noch sein Smartphone bei sich findet, wird sie stutzig....

"Amnesia" ist ein Thriller, der aus der Ich-Perspektive von Helen geschrieben ist, die trotz der Warnungen ihres Arztes eine zu hohe Dosierung ihre Beruhigungsmittels zu sich nimmt und deshalb nach und nach aufgrund der immer größeren Erinnerungslücken den Bezug zur Realität verliert.
Erst findet sie das blutige Kochmesser und anschließend sterben oder verletzen sich der Reihe nach Menschen aus ihrem unmittelbaren Umfeld und sie weiß nie, was sie in dem Zeitraum getan hat oder wo sie war.

Als Leon dann ermordet aufgefunden wird, sprechen alle Indizien gegen Helen. Aber ist es wirklich so einfach? Ist sie die Schuldige oder treibt jemand ein perfides Spiel mit ihr?

Als Leser weiß man nicht, inwieweit man Helen Glauben schenken kann: Hat sie wirklich keinerlei Erinnerungen oder verdrängt sie diese nur mit Hilfe der Medikamente, um sich ihre Schuld nicht einzugestehen? Nutzt sie ihren sich abzeichnenden Krebstod aus, um Rache an ihr unliebsamen Menschen zu verüben?

Helen ist dabei sehr authentisch beschrieben, so dass man ihr unheimlich nahekommt und ihre Panik und Verstörung in der Sommerhitze regelrecht miterlebt. Gleichzeitig kann man aber für die verbittert und kaltherzig wirkende Protagonistin, die sich von jeher von ihrer Familie ungeliebt und inzwischen den Lebenden nicht mehr zugehörig fühlt, keine Sympathie empfinden. Aber egal, ob man Mitleid für Helen aufgrund ihres Schicksals als ungeliebter Tochter oder als dem todgeweihter Lungenkrebs-Patientin empfindet, der Psychothriller fesselt den Leser bis zum Schluss.

Wie es bei Thrillern aber leider sehr häufig der Fall ist, spielen auch bei "Amnesia" viele Zufälle eine Rolle. Gerade am Ende fügt sich doch alles sehr einfach zusammen, wobei für mich viele Fragen, insbesondere die Rolle der Freundin von Kristin, Birgit, ungeklärt blieben und mir die Handlung der Mutter nicht ganz nachvollziehbar war.


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