Freitag, 20. Januar 2017

Buchrezension: Nick Alexander - Die Frau des Fotografen

Inhalt:

Barbara – ein Kind der Luftschlacht um England 1940/41 – hat mehr Geheimnisse, als sie zugeben möchte. Ihre Kinder hat sie, so gut sie nur konnte, vor der harten Wirklichkeit des Lebens geschützt, die sie selbst erleben musste. Nur wenig hat sie ihnen von der bitteren Armut ihrer Kindheit erzählt und auch nicht von den dunkleren Seiten ihrer Ehe mit einem der gerühmtesten Fotografen Großbritanniens.
Als ihre jüngste Tochter Sophie beschließt, eine große Retrospektive über das Werk ihres geliebten Vaters zu veranstalten, werden alte Fotos aus staubigen Kisten hervorgeholt. Mit ihnen kommen auch viele vergessen geglaubte Geschichten ans Licht. Geschichten und Geheimnisse, die für immer verändern werden, wie Sophie ihre Eltern bisher gesehen hat.
Mit großem Einfühlungsvermögen zeichnet der Brite Nick Alexander seine Figuren. In zwei Zeitebenen begleitet der Leser Mutter und Tochter durch ein ungewöhnliches Leben mit immer wieder überraschenden Wendungen.

Rezension:

"Die Frau des Fotografen" handelt auf zwei Zeitebenen.

Zunächst wird der Leser in das Jahr 1943 versetzt, in welchem er die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs aus Sicht der Barbara in London erlebt, die zu diesem Zeitpunkt noch ein Kind ist.
Mit 19 Jahren lernt sie den charmanten Tony kennen und verliebt sich in ihn. Aufgrund der unzureichenden Aufklärung zur damaligen Zeit wird sie viel zu früh schwanger und für Tony gibt es keine andere Möglichkeit, als Barbara zu heiraten. Der kleine Junge kommt tragischerweise als missgebildete Totgeburt zur Welt und in den Jahren danach erleidet Barbara zahlreiche Fehlgeburten bis 1963 endlich Wunschkind Jonathan gesund zur Welt kommt. Barbara vergöttert ihren Sohn, vor allem weil ihr Mann Tony als Kurierfahrer und späterer freiberuflicher Fotograf viel unterwegs ist.
1969 wird Sophie geboren, die in die Fußstapfen ihres Vaters tritt und ein Talent für die Fotografie entwickelt und mit den modernen Kameras schon als Kind besser umgehen kann, als ihr Vater.

Die Vergangenheit wechselt sich mit Kapitel der Gegenwart in den Jahren 2012 bis 2013 ab, als Sophie beschließt, eine Retrospektive ihres Vaters zu veranstalten, der vor über 20 Jahren gestorben ist und im Jahr 2012 80 Jahre alt geworden wäre. Ihre Mutter reagiert auf dieses Vorhaben sehr zurückhaltend, vor allem als sie erfährt, dass Sophies neuer Freund Brett sie unterstützt, der Journalist ist. Sophie, die ihre Mutter schon immer als ihr gegenüber sehr distanziert empfunden hat, ist auch bereit die Ausstellung ohne Hilfe von Barbara oder Jonathan zu organisieren.

Der Roman erstreckt sich über einen langen Zeitraum und ist stellenweise etwas langatmig. Als aber ab zwei Dritteln des Romans die Zusammenhänge von Gegenwart und Vergangenheit klarer werden und auch der Romantitel eine ganz eigene Bedeutung erhält, konnten mich die Schicksale der beiden Frauen, die wenig sympathisch erscheinen, fesseln.

Barbara ist eine Frau, die die klassische Rolle der Hausfrau der 60er- und 70er-Jahre verkörpert und sich für einen Mann, der sie emotional so schlecht behandelt, selbstlos zurücknimmt und Dinge toleriert, die undenkbar sind. Warum sie sich so oft als dumm und lachhaft hat abstempeln lassen und sich nicht spätestens als die beiden Kinder erwachsen waren von dem gefeierten Fotografen mit fragwürdigem Talent trennte, blieb schleierhaft.

Sophie, deren Charakter deutlich weniger Raum in dem Roman einnimmt, scheint auch wenig Glück mit Männern zu haben und ist um den arroganten Journalisten mit befremdlichen Sexfantasien nicht zu beneiden. Auf mich machte sie einen naiven und nicht ihrem Alter entsprechend reifen Eindruck.

"Die Frau des Fotografen" ist ein Roman über eine Frau, die man von ihrer Kindheit bis ins hohe Alter mit knapp 80 Jahren begleitet. Wer sich für eine solche Zeitgeschichte und auch für die Entwicklung der Fotografie interessiert, wird sich gut unterhalten fühlen. Mir hätte ein verstärkter Fokus auf Barbara genügt, konnte ich mit dem etwas einfältigen, egoistischen Papakind Sophie und der Handlung der Gegenwart bis auf den wirklich sehr aufschlussreichen und interessanten Schluss nur wenig anfangen.


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