Samstag, 3. August 2024

Buchrezension: David Grann - Der Untergang der "Wager"

Inhalt:

Januar 1742. Ein windschiefes Segelboot strandet an der Küste Brasiliens, an Bord 30 Männer, die einzigen Überlebenden des königlichen Eroberungsschiffs "The Wager", das in einem Sturm zerschellt ist. Sechs Monate später: Drei Schiffbrüchige werden in Chile an Land gespült und erklären die 30 Männer zu Meuterern, die skrupellos gemordet hätten… Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Das soll ein britisches Kriegsgericht entscheiden. Es geht um Leben oder Tod. 
David Grann spinnt aus dem Archivmaterial eines historischen Kriminalfalls eine packende und atmosphärisch dichte Abenteuererzählung. Schuld und Unschuld, Treue und Verrat liegen eng beieinander, und am Ende kommt eine schockierende Wahrheit zutage. 

Rezension

David Grann nimmt die/ den LeserIn auf die 432-Seiten lange Odyssee einer britischen Schiffsbesatzung an das Ende der Welt. Erzählt wird die Geschichte einer Flotte der Royal Navy, die sich im 18. Jahrhundert mit dem Ziel aufmacht, jenseits des südamerikanischen Kontinents die Vorherrschaft der spanischen Armada zu durchbrechen. Im Mittelpunkt der Erzählung steht hierbei die Strandung des Kriegsschiffes HMS Wager unter der Führung des gerade zum Kapitän ernannten David Cheap sowie der anschließende Überlebenskampf der Besatzung an der Südspitze Patagoniens. 

Intensiv und detailreich geht Grann hier auf die unterschiedlichen Interessenlagen und Machtansprüche einzelner Protagonisten bzw. auch Gruppen ein, in die die Besatzung nach und nach zerfällt. Um die Ursachen hierfür zu verstehen, geht Grann im Vorfeld auf die politische Situation im British Empire und dem Streben nach Imperialismus und Kolonialismus ein. 
Die/ der LeserIn erfährt somit, dass der von England angezettelte „Krieg um Jenkins Ohr“ tatsächlich nur ein Vorwurf war, um mit Spanien in einen so intensiven Seekrieg zu ziehen, der im weiteren Verlauf die vorhandenen personellen Ressourcen hierfür soweit beutelte, dass die Navy letztlich auf Inhaftierte zurückgreifen musste oder Männer schlichtweg für den Dienst auf See kidnappte. Eben diese heterogene Zusammensetzung der Besatzung insbesondere der HMS Wager führt nach der Strandung zu ihrem eben erwähnten Zerfall und zum Autoritätsverlust des Kapitäns, der dann in seinem früheren Untergebenen, dem Stückmeister John Bulkeley, einen Widersacher bekommt. Dieser Konflikt führt letztlich zu einer Meuterei der Besatzung gegen ihren Kapitän, der mit einigen treuen Gefolgen auf „Wager Island“ zunächst zurückbleibt und sich dann aber doch Jahre später wieder bis nach England durchschlägt, wenn auch Jahre später als die Gruppe um Bulkeley. 
Dieser hatte über die Ereignisse noch auf See und später nach der Strandung in einem Buch Stellung bezogen, auch um sich damit bei einem zu erwartenden Gerichtsverfahren verteidigen zu können. Nachdem auch Cheap zurückgekehrt ist, sieht sich dieser genötigt, die Vorfälle aus seiner Sicht zu schildern. Letztlich wird die Meuterei aus politischen und übergeordneten Erwägungen aber „unter den Teppich gekehrt“, um dem Ansehen der Royal Navy nicht zu schaden und den Rückhalt der Bevölkerung für die kostenintensiven imperialistischen Bestrebungen des Empires nicht zu verlieren.

Das Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite detailreich und spannend geschrieben. Grann vermischt gekonnt historische Tatsachen mit einer romanhaften Erzählung.

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