Freitag, 7. März 2025

Buchrezension: Charlotte Lucas - Luzie in den Wolken

Inhalt:

Gabriel Bach, ein ausgebrannter Bestsellerautor in der Krise, sitzt an der Elbe, als ein roter Luftballon vorbeifliegt, an dem ein Zettel befestigt ist. Darauf steht: "Liber Got, mein Papa ist bei dir im Himell - kannst du mir nicht bite einen neuen schikken? Von ganzem Hertzen, deine Luzie in den Wolken." Als Gabriel diese Worte liest, kommt ihm zum ersten Mal seit Langem wieder eine Idee, die eine Lawine von Ereignissen in Gang setzt, die nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben von Luzie und ihrer Mutter Miriam völlig auf den Kopf stellen wird. 

Rezension: 

Der Bestsellerautor Gabriel Bach leidet sowohl unter einer Sinnkrise als auch einer Schreibblockade und steht unter dem Druck des Verlages, einen neuen Liebesroman zu veröffentlichen. Als er einen roten Ballon mit einer Postkarte findet, auf der eine Luzie ihren Herzenswunsch, dem nach einem neuen Vater, geschrieben hat, erhält Gabriel die erhoffte Inspiration für sein neues Buch. Emotional berührt von der traurigen Karte, sorgt Gabriel zunächst dafür, dass Luzie den Wettbewerb mit der am weitesten entfernten Postkarte gewinnt und nimmt für die Recherche seines Buches sukzessive mehr Raum im Leben von Luzie und ihrer Mutter Miriam ein, verstrickt sich dabei immer tiefer in ein Lügenkonstrukt, um seine Identität zu verbergen.

"Luzie in den Wolken" wird abwechselnd aus der Perspektive von Gabriel und Miriam erzählt und handelt im Kern im Zeitraum von drei Monaten von September bis Dezember. Gabriel schleicht sich als Buchhalter Ben in Miriams Leben, um mehr Input für sein Buch zu erhalten. Dabei geht er jedoch nicht nur eigennützig vor, sondern freundet sich mit der alleinerziehenden Mutter an, die Inhaberin eines Second Hand-Ladens in roten Zahlen ist. Miriam mag den sympathischen Buchhalter, der nicht nur einen Raum bei ihr anmietet und sie bereitwillig in ihrem Laden vertritt, sondern sich auch ihre siebenjährige Tochter gut mit Ben versteht. 

Die dialoglastige Geschichte mit zahlreichen Alltagsszenen aus dem Second Hand-Laden und dem Leben mit einem kleinen Kind sind lebendig und unterhaltsam geschildert. Die beiden Hauptfiguren Gabriel und Miriam sind authentisch dargestellt und mit ihren Empfindungen leicht vorstellbar. Die siebenjährige aufgeweckte Luzie und Miriams beste Freundin, die Astrologie begeisterte und loyale Becka, bereichern den Plot. 

Trauer und Depression sind eingangs dominant, jedoch im Verlauf der Geschichte schnell vergessen oder nicht vordergründig. Der Roman ist vielmehr optimistisch, hoffnungsvoll und warmherzig, auch wenn im Hintergrund Gabriels Lügengerüst schwelt. 

Trotz der abwechslungsreichen und lebendigen Darstellung ist die Geschichte vorhersehbar und bietet im Hinblick auf das Grundgerüst aus Liebe und Lüge wenig Überraschendes. Auch ist das Engagement Gabriels überzogen, mit großem Aufwand und finanziellem Einsatz verbunden und in der Intensität gar nicht nötig, um Platz in Miriams Leben zu erhalten. So verliert die Geschichte an Glaubhaftigkeit und bleibt in Bezug auf die ernsten Themen eher zurückhaltend. Gerade Gabriels familiärer Hintergrund oder auch Miriams Erinnerungen an ihren Mann hätten dem Roman in einer ausführlicheren Darstellung mehr Emotionen und Tiefe verliehen. Am Ende geht es mit einem Zeitsprung in März und September des Folgejahres im Vergleich zur sehr detaillierten Erzählweise zuvor recht schnell, um die Geschichte zu einem Ende zu bringen. Alle Probleme sind letztlich wie von Zauberhand gelöst. 

So ist "Luzie in den Wolken" ein unterhaltsamer Wohlfühlroman über Freundschaft, Liebe und Familie, aber auch Verlust und Reue, der weniger berührend ist, als erwartet. Die Geschichte ist lebendig und einfühlsam, mit besonders liebevoll gezeichneten Figuren (es gibt sogar ein Wiedersehen mit Charakteren aus "Dein perfektes Jahr"), aber am Ende doch etwas sehr märchenhaft.  

Mittwoch, 5. März 2025

Buchrezension: Kate Eberlen - Everlast: Sich zu verlieben ist nur der Anfang

Inhalt:

Alles beginnt wie im Märchen: Tess und Gus verlieben sich im Italienurlaub Hals über Kopf ineinander. Sie möchten heiraten und könnten glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben. Doch das wahre Leben ist kein Märchen. Zurück im verregneten London beginnt für die beiden eine Reise, die sich das Leben nennt. Kummer und Freude warten auf sie, ihre Verbindung wird vielfach auf die Probe gestellt. Gus durchleidet eine schwere Depression, Tess muss ihre ganze Energie für ihre autistische Schwester aufbringen. Über allem schwebt die ständige Unsicherheit, ob Tess ihre Krebserkrankung wirklich überwunden hat. Wird ihre Liebe stark genug sein, um die Herausforderungen ihres komplizierten Lebens gemeinsam zu meistern? 

Rezension: 

Tess und Gus kommen zum ersten Mal in einer Kirche in Florenz miteinander ins Gespräch und merken erst dann, dass es schon unzählige Gelegenheiten gegeben hat, an denen sie sich näher hätten kennenlernen können. Wie das Schicksal so will, war ihre erste Begegnung schon vor 16 Jahren in Florenz. Sie verbringen gemeinsame Tage in der Toskana und verlieben sich ineinander, träumen sogar davon, gemeinsam nach Italien zu ziehen. 
Zurück in London ist es schwer, die unbeschwerte Urlaubsfreude zu bewahren und in den Alltag mitzunehmen. Sowohl Tess als auch Gus haben, ihre Päckchen zu tragen, haben Trauer und Ablehnung erlebt und müssen unteren den Herausforderungen ihres Lebens ihre Liebe bewahren. 

"Everlast - Sich zu verlieben ist nur der Anfang" ist die Fortsetzung von "Miss you", erzählt jedoch eine ganz eigene Liebesgeschichte, weshalb die Romane auch unabhängig von einander zu lesen sind.  
Während die Mehrheit der Liebesromane vom Suchen und Finden der Liebe handelt und mit einem Happy End endet, beginnt "Everlast" mit dem Happy End und handelt davon, was danach kommt. Es ist insofern eine erwachsene Liebesgeschichte, die gut zum Alter der Protagonisten mit Mitte 30 passt, die schon einiges in ihrem Leben erlebt haben. 

Neben der Liebe, Romantik und der Hoffnung auf ein gemeinsames Leben handelt der Roman im Zeitraum von 2013 bis 2020 von vielen ernsten Themen wie Krebserkrankungen, Depressionen, Neurodivergenz und schwierigen familiären Beziehungen, weshalb die Geschichte beginnend mit dem Prolog schwermütig anmutet. Man sollte sich deshalb vom Cover in bunten Pastellfarben, das eine Sommerliebe suggeriert, nicht irreleiten lassen. 

Nach der Verliebtheit und Euphorie in Italien folgt das wirkliche Leben für Tess und Gus in London. Dort ist es weniger der Alltag, der sie einholt, sondern die Geschichte, die sie mit sich tragen. Als geschiedener Vater hat Gus seine Verpflichtungen und Tess ist nach einer Krebserkrankung in Remission und fühlt sich für ihre jüngere Schwester verantwortlich. Zudem sind beide unglücklich mit ihrer Berufswahl. Für die Liebe bleibt bei all den Sorgen, Problemen und Beeinflussung von Freunden und Verwandten kaum Raum, auch wenn Tess und Gus für einander da sind und ihre Liebe nicht aufgeben möchten. 

Durch wechselnde Sichten kann man sich in beide Leben und Gefühle sehr gut hineinversetzen, was durch die Ich-Perspektive noch verstärkt wird. Bei Tess und Guss kommen jedoch so viele psychische, physische und familiäre zusammen, dass die Geschichte viel mehr belastende als heitere, romantische Momente hat. Sie ist empathisch, aber auch sehr schwermütig und melancholisch, wobei auf übertriebene Dramatik verzichtet wird. 

Auch wenn diese Liebesgeschichte vielleicht realistischer als so manche Happy Ever After-Romanze ist, hätte ich mir dennoch mehr gemeinsame Glücksmomente für Tess und Gus gewünscht, die die vielen verpassten Chancen über 16 Jahre hinweg wieder wettgemacht hätten. Aber gerade weil den beiden so viele Hürden auferlegt werden, ist die Geschichte unwahrscheinlich vielfältig, führt an verschiedene Orte auf der ganzen Welt und - gäbe es den Prolog nicht - wäre sie zudem im Hinblick auf das Ende unvorhersehbar. 

Montag, 3. März 2025

Buchrezension: Liz Moore - Der Gott des Waldes

Inhalt:

Es ist August 1975, ein Sommer, der das Leben vieler Menschen in den Adirondack Mountains für immer verändern wird. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje im Sommercamp liegt, beginnt eine panische und groß angelegte Suche nach der 13-Jährigen. Das Verschwinden einer Jugendlichen im Naturreservat ist unter allen Umständen eine Katastrophe, aber Barbara ist keine gewöhnliche Camperin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Und sie ist die Schwester von Bear, dem Jungen, der seit 14 Jahren vermisst wird. Kann das Zufall sein? Was wissen die anderen Kinder im Camp über Barbaras Verschwinden, und was verheimlichen die Angestellten, die im Schatten der Van Laars ihr Dasein fristen? Was hat der aus dem Gefängnis entflohene "Schlitzer" mit all dem zu tun und welche Geheimnisse hütet die Familie selbst? 

Rezension: 

Im August 1975 verschwindet ein 13-jähriges Mädchen während eines Sommerferienlagers spurlos in den Adirondack Mountains. Besonders brisant ist, dass Barbara die Tochter der wohlhabenden Familie Van Laar ist, die Eigentümer des Naturreservats sind und dass schon ihr Bruder seit 14 Jahren vermisst wird. 
Die junge Betreuerin Louise hätte auf Barbara aufpassen sollen, war jedoch in der Nacht ihres Verschwindens selbst mit anderen Dingen beschäftigt. 
Eine verzweifelte Suche nach der Ausreißerin, die schon früh gegen ihre Eltern rebelliert hat, beginnt und weckt unweigerlich Erinnerungen an den Sommer 1961. 
Während die Polizei ermittelt, drängt sich unweigerlich der Verdacht auf, dass die Familie Van Laar etwas zu verbergen hat und nie ein echtes Interesse daran hatte, das Verschwinden des achtjährigen Jungen aufzuklären. 

"Der Gott des Waldes " ist eine spannende Mischung aus Familientragödie und Kriminalroman, die aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt wird. Auf dieses Weise erhält man einen umfassenden Einblick in die Angestellten im Camp, die mächtige Familie Van Laar, Helfende, Polizisten und die Kinder im Camp. Der Fokus rückt dabei insbesondere auf die weiblichen Figuren. Alice, Barbaras Mutter, ist gefangen in einer unglücklichen Ehe und hat den Verlust ihres Sohnes nicht verkraftet. Die 12-jährige Tracy ist ein schüchternes Mädchen, dass sich mit Barbara angefreundet hatte und mehr über sie weiß, als sie preisgeben mag. Daneben ist es die unkonventionelle T.J., eine der Zuständigen im Camp, die gegen einen Aufenthalt der aufmüpfigen Barbara im Camp war. Die Betreuerin Louise hat ihre eigenen Geheimnisse, warum sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist, auf Barbara zu achten und gerät als erstes in Verdacht. Für die Ermittlungen zuständig ist unter anderem die junge Investigator Judy Luptack, die von den Angehörigen als Polizistin nicht ernst genommen wird und auch innerhalb der Polizeistrukturen als Frau einen schweren Stand hat. 

Neben den Ereignissen im Sommer 1975 sind die Rückblenden in die Vergangenheit, angefangen von den 1950er-Jahren bis zum tragischen Sommer 1961, zentral. In der Rückschau erfährt man mehr über die Familienverhältnisse der Van Laars und die Suche nach Sohn Bear. Dabei ist spannend zu erfahren, ob und wie das Verschwinden von Bear mit dem Verschwinden seiner Schwester in einem Zusammenhang stehen könnte. Parallel dazu verleiht die Flucht des "Schlitzers" aus dem Gefängnis, einem Sexualstraftäter und brutalen Serienmörder, ein ungutes Gefühl. 

Durch einen Zeitstrahl und die Benennung der Person zu Beginn der kurzen Kapitel überfordert die sprunghafte Erzählung nicht, sondern sorgt gezielt für Cliffhanger. Die Naturbeschreibungen sind bildhaft und machen die Umgebung des Naturreservats und das Anwesen der angesehenen Van Laars so gut vorstellbar wie die einzelnen Personen, die trotz ihrer Vielzahl fein gezeichnet sind. 

"Der Gott des Waldes" ist neben einer spannenden und tragischen Kriminalgeschichte eine lebendige Zeitreise in die 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahre, in der die sozialen Ungleichheiten zwischen Arm und Reich sowie zwischen Mann und Frau deutlich zutage treten. Voller Empathie blickt die Autorin auf ihre Figuren und hält die Spannung durch zwei sich ähnelnde Vermisstenfälle und die Familie mit ihren verborgenen Geheimnissen in Vergangenheit und Gegenwart gleichbleibend hoch. 
Die Geschichte ist fesselnd und erschütternd zugleich, während sich immer mehr familiäre Abgründe auftun und sich die Puzzlestücke zur Klärung beider Vermisstenfälle vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Konventionen, patriarchaler Strukturen, Machtmissbrauch und Vorurteile, auftun.