Montag, 13. November 2017

Buchrezension: Kris van Steenberge - Verlangen


Inhalt:

Elisabeth, die Tochter des Schmieds, sehnt sich danach, ihrem Heimatdorf Woesten zu entkommen. Sie versucht, sich Bildung anzueignen und heiratet den jungen Arzt Guillaume Duponselle. Als kurz darauf Zwillinge zur Welt kommen, ist der Zweitgeborene so entstellt, dass der Vater sich weigert, ihm einen Namen zu geben. Doch Namenlos überlebt und hält fortan dem Vater und den anderen Dorfbewohnern den Spiegel vor.

Rezension:

Der Roman spielt Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Dorf im belgischen Flandern. Es ist in vier Abschnitte untergliedert, die die Geschichte der Familie Duponselle aus vier Perspektiven erzählen.

Beginnend mit Elisabeth, die als Tochter des Dorfschmieds aus einfachen Verhältnissen stammt wird man in das belgische Dorf vor Beginn des Ersten Weltkriegs versetzt. Elisabeth hat Kontakt zu Herrn Funk, einem Deutschen, der in dem Dorf als wunderlich wahrgenommen wird und von den Dorfbewohnern gemieden wird. Elisabeth schwärmt ein wenig für den älteren Mann, von dem sie heimlich Bücher zu Lesen erhält.
Sie heiratet jedoch den angesehenen Dorfarzt Guillaume Duponselle, von dem sie Zwillinge bekommt.
Während einer der Jungen, Valentin, aufgeweckt und hübsch ist und schon als Baby jeden einzelnen im Dorf mit seinem andauernden Lächeln für sich gewinnen kann, kommt sein Bruder mit einem entstellten Gesicht zur Welt. Vom Vater abgelehnt und ignoriert, erhält er nicht einmal einen Namen. Er kann nicht sprechen und fast jeglicher Kontakt mit den Dorfbewohnern gemieden. Einzig seine Mutter und ihre Schwester akzeptieren Namenlos so wie er ist. Seine Tante bringt ihm sogar das Schreiben bei, da er keine Schule besuchen darf. Er ist Zeit seines Lebens ein Aussätziger bis sich der Dorfpfarrer seiner annimmt und ihm zunächst für kleine Gefälligkeiten etwas Taschengeld gibt und Latein lehrt.

Valentin enttäuscht seinen Vater mit seinen schlechten schulischen Leistungen und wird auch nicht auf ewig der schöne Sohn bleiben. Wie auch sein Vater muss er in den Krieg ziehen und wird an der Front schwer verletzt. Elisabeth wird die Auswirkungen des Krieges und die Wiedervereinigung der Brüder nach Ende des Krieges allerdings nicht mehr miterleben.

"Verlangen" ist ein Roman, der die Grausamkeit der Menschen schildert und ihre seelischen Abgründe aufzeigt. Da der Roman aus Sicht der vier wichtigsten Protagonisten geschildert wird, kommt es zwar zu Wiederholungen, wobei diese nicht langweilen, sondern Schlüsselszenen darstellen, die die Handlung, die aus der Perspektive von nur einem Protagonisten Fragen aufwirft, durch die mehrfache Schilderung für den Leser erst verständlich machen.

Neben der für Elisabeth schrecklichen Ehe mit dem autoritären Arzt, hat der Roman durch die Behinderung und die daraus resultierende soziale Ächtung von Namenlos, die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die Familie und die Gesellschaft bis auf einen überraschenden Lichtblick am Ende des Romans, nichts Positives zu bieten. Es ist damit ein düsterer Roman, der den Leser mit all seiner Tragik jedoch fesselt und in Bezug auf das ungewisse Schicksal von Elisabeth für die notwendige Spannung sorgt.
"Verlangen" ist kein Roman für zwischendurch, sondern verlangt dem Leser einiges ab und muss aufmerksam gelesen werden.



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