Mittwoch, 29. Januar 2025

Buchrezension: Anna Schneider - Grenzfall: Ihre Spur in den Flammen (Jahn und Krammer ermitteln, Band 5)

Inhalt:

Im Karwendel brennen Ende Juni auf den Bergen die traditionellen Sonnwendfeuer, die vor Unheil schützen sollen. Doch in diesem Jahr machen die Flammen auch vor den Tälern nicht Halt. Bei Bad Tölz ist ein Wagen von der Straße abgekommen und völlig ausgebrannt – Brandstiftung mit Todesfolge. 
Bevor Oberkommissarin Alexa Jahn die genauen Umstände klären kann, kommt es zu weiteren tödlichen Brandanschlägen, auch auf österreichischer Seite. Gemeinsam mit Chefinspektor Bernhard Krammer versucht Alexa sich einen Reim auf die Taten zu machen. Wer legt diese Feuer? Um was geht es hier? Und weshalb wurde an einem der Tatorte ein Kräuterbund gefunden, der dem Volksglauben nach das Böse abhalten soll? 
Alexa und Krammer wissen, dass die Zeit gegen sie arbeitet, und ein anonymes Schreiben lässt ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden. 

Rezension: 

In Fahrzeug kommt um Mitternacht bei Bad Tölz von der Straße ab und geht in Flammen auf. Eine Zeugin will gesehen haben, dass eine Frau nach dem Unfall aus dem Fahrzeug gestiegen und in den Wald geflüchtet ist. Alexa Jahn und ihr Kollege Florian Huber von der Kripo Weilheim nehmen die Ermittlungen auf. Während Huber von einem Unfall oder Selbstmord ausgeht, stellt Alexa mehr Fragen und möchte mehr zum Halter des Fahrzeugs in Erfahrung bringen. Wenig später brennt ein Haus in einer guten Wohngegend in Gaißach lichterloh, was für Alexa kein Zufall sein kann. 
In Österreich hat Bernhard Krammer mit den Folgen seines letzten Falls zu kämpfen, der ihn auch persönlich getroffen hat. Aktuell ist er mit keinem laufenden Fall befasst ist und wird durch die Medien auf die Brände in Deutschland aufmerksam, wobei er eine Parallele zu einem Fall von Brandstiftung in Innsbruck erkennt. Alle Opfer sind in der Immobilienbranche tätig. 

"Ihre Spur in den Flammen" ist bereits der fünfte Band der "Grenzfall"-Reihe, in der Oberkommissarin Alexa Jahn und Chefinspektor Bernhard Krammer grenzüberschreitend gegen das Böse ermitteln. So hat man auch in diesem Teil die Zweiteilung aus einem Handlungsstrang in Bayern und einem in Österreich. Daneben gibt es Einsichten in den Täter, die nahe legen, dass es bei den Bränden um einen Rachefeldzug handelt, ohne dass man direkt auf den Täter schließen kann.

Die Kenntnis der vorangehenden Teile der Buchreihe ist empfehlenswert, da sowohl der private Hintergrund und die Persönlichkeit der beiden Hauptfiguren sowie auch der Fall aus Band 4 eine Rolle spielen. Die Autorin schafft es dabei zu Beginn geschickt Teile des letzten Bandes zusammenzufassen, um den Einstieg nach einem Jahr Pause zu erleichtern. 

Der Kriminalfall ist gerade aufgrund seiner Undurchsichtigkeit und dem Fehlen klassischer Mordfälle originell und spannend aufgebaut. Erneut müssen Alexa und Krammer sich vor allem auf ihren Instinkt verlassen, der das Vater-Tochter-Duo beruflich leitet. 
Die Ermittlungen werden dabei detailliert und authentisch geschildert, auch wenn Alexa und Krammer nicht von ihren Alleingänge ablassen können. Weder Alexa noch Krammer sind abgebrühte Polizeibeamte. Beide sind empfindsam, bedauern die Opfer und sind trotz ihrer Erfahrung entsetzt von den Reaktionen auf die Verbrechen. Immer wieder prangern sie die zunehmende Verrohung der Gesellschaft an.

"Ihre Spur in den Flammen" ist ein willkommenes Wiedersehen mit den liebgewonnen Protagonisten, ein spannender Kriminalfall, in der die klassische Polizeiarbeit sowie der Spürsinn der Ermittler in den Mittelpunkt rücken, aber auch die persönlichen Dramen und die Auseinandersetzung der Hauptfiguren mit sich selbst und ihren Unzulänglichkeiten neben den Ermittlungen die Buchreihe fortsetzen und ihr Leben und Persönlichkeit einhauchen. 
Einziges Manko ist, dass die Fallaufklärung am Ende recht schnell geht und in hohem Maß dem Zufall geschuldet ist. 
Bis Fall 6 der Reihe erscheint, wird wieder ein Jahr vergehen, aber die Leseprobe macht schon jetzt neugierig auf "Ihr Grab in den Fluten" (ET: 28.01.2026). 

Montag, 27. Januar 2025

Buchrezension: Sarah Nisi - Haltlos

Inhalt:

Emily führt in London seit Monaten das Leben einer Außenseiterin. Sie kann ihren Alltag nicht mehr bewältigen, musste ihr Studium aufgeben. Vor drei Monaten starb ihre Freundin Liv beim Sturz auf die U-Bahn-Gleise. Emily stand neben ihr, doch erinnern kann sie sich nicht. Das Trauma hat eine Amnesie ausgelöst. Während die Polizei von einem Unfall ausgeht, spürt Emily, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist. Sie muss einen Weg finden, um ihr Gedächtnis zurückzuholen. Doch warum reagieren alle, mit denen sie darüber spricht, so ausweichend? Und was, wenn etwas ans Licht käme, das sie selbst belasten würde? Emily beginnt nachzuforschen ― ohne zu ahnen, in welcher Gefahr sie bereits schwebt.  

Rezension:

Vor drei Monaten ist Emilys Freundin Liv auf die Gleise der Londoner Tube gestürzt und ums Leben gekommen. Emily stand neben ihr, leidet aufgrund des Schocks jedoch an Amnesie und kann sich an den gesamten Morgen von Livs Todestag nicht erinnern. Die Polizei hat die Ermittlungen inzwischen eingestellt, aber Liv kann weder an eine  Unfall, noch an einen Selbstmord glauben. 
Auf Wunsch von Livs Mutter kümmert sie sich um die Auflösung des Appartements ihrer Freundin und zieht deshalb temporär darin ein. Sie findet ein Tagebuch, das ein anderes Licht auf Liv wirft. Emily möchte endlich Gewissheit haben und versucht auf eigene Faust zu ermitteln, was an dem Bahnsteig passiert ist. Hilfe erhält sie von Livs dubiosem Nachbarn, der eine kriminelle Vergangenheit hat. 

Der Roman wird aus den Perspektiven von Emily und Nachbar Shakes erzählt. Darüber hinaus gibt es Eindrücke aus Sitzungen eines namenlosen Patienten mit einer Therapeutin und einzelne Abschnitte aus Livs Tagebuch. 

Emilys Sicht ist nicht zu trauen, die Erinnerungen mit Träumen vermischt, Shakes Verhalten ist zwielichtig, Liv hatte Geheimnisse, die sie einem Tagebuch anvertraut und der unbekannte Patient versucht seine Therapeutin zu manipulieren. Es gibt nur eine übersichtliche Anzahl an Figuren und jeder macht sich verdächtig. Aufgrund der absichtlich undurchsichtigen Darstellung bleibt jeder Charakter langweilig blass und eindimensional. 

Die Geschichte dreht sich lange im Kreis um die Frage was mit Liv passiert ist, bis Emily eine Initiative ergreift, die dann jedoch haarsträubend ist. Statt den naheliegenden Weg über die Polizei zu gehen, wird dem vermeintlichen Täter eine Falle gestellt, in die er nicht notwendigerweise tappt und die für Emily zudem gefährlich ist. 

Livs Tagebuch gibt entscheidende Details preis, die Emily an ihr zweifeln lassen, wobei ein Geständnis in Form eines Tagebuchs eine sehr simpel gewählte Variante ist, um offene Fragen zu beantworten. In der Realität ist wohl zweifelhaft, sich freiwillig selbst schriftlich zu belasten. 

Positiv betrachtet ist der Thriller wendungsreich und lädt durchgängig zum spekulieren ein. Täter und Opfer wechseln und fachen die Spannung weiter an. Die vielen falschen Fährten sind jedoch ermüdend und der Strang um die desolate Situation in Gefängnissen, wenn Inhaftierte der Willkür von Bediensteten unterworfen sind, blieb wie die Charakterzeichnung nur oberflächlich. 

Freitag, 24. Januar 2025

Buchrezension: Henri Faber - Kaltherz

Inhalt:

Acht Minuten. Länger war die fünfjährige Marie nicht alleine. Doch als ihre Mutter zum Auto zurückkommt, ist Marie spurlos verschwunden. Kommissarin Kim Lansky übernimmt den Fall. Es ist ihre letzte Chance, sich als Ermittlerin zu beweisen. Die Suche nach der Wahrheit führt sie in die dunkelsten Kapitel ihrer eigenen Vergangenheit – und zu einer erschreckenden Frage: Warum bleiben gerade in München so viele Kinder verschwunden? 

Rezension:

Wenige Minuten allein gelassen waren ausreichend und die fünfjährige Marie verschwindet auf einem Ausflug mit ihrer Mutter spurlos. Polizistin Kim Lansky, die neu in der Abteilung für Vermisste bei der Bayerischen Polizei ist, übernimmt die Ermittlungen eines kürzlich verstorbenen Kollegen. Ihr Vorgesetzter ist ein Freund aus ihrer Jugend in Neuperlach, einem sozialen Brennpunkt, wo sie beide nichts haben anbrennen lassen. Ohne sich in das Team zu integrieren, geht Lansky eigenmächtig vor und versucht den Fall auf ihre Art zu lösen. Lansky dringt in düstere Kriminellenkreise vor, denen sie näher ist, als sie sein sollte und sieht sich bald auf ungeahnte Weise mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.

"Kaltherz" handelt von der Entführung eines fünfjährigen Mädchens und wird aus vier Perspektiven erzählt, darunter auch der fünfjährigen Marie, die so gar nicht versteht, was vor sich geht. Daneben erhält man Einblicke in die Leben der Eltern, wobei sowohl Vater als auch Mutter etwas zu verbergen scheinen und nur schwer einzuschätzen sind. Ermittlerin Lansky ist zupackend, frech und stets auf der Jagd und eckt mit ihrer unkonventionellen Art unweigerlich an.
Der Zweck heiligt die Mittel, aber ihre Vorgehensweise unter Missachtung sämtlicher Dienstvorschriften ist mehr als fragwürdig.
 
Es werden eine Reihe falscher Fährten gelegt, die die Aufmerksamkeit in Richtung Wirtschaftskriminalität und Organisierte Kriminalität lenken, bevor eine Wende für mehr Drive in der Handlung sorgt. Die anschließenden zahlreichen weiteren Wendungen sind wie die Ermittlungen kaum mehr nachzuvollziehen. 
Neben dem Faktor Zufall und einer ordentlichen Portion Gewalt der unkaputtbaren Lansky spielen die handelnden Personen, die fast alle ein zweites Gesicht haben, eine entscheidende Rolle. Die Menge an Action und persönliche Involvierung, Lügen und Trauma ist für den Fall und die übersichtliche Anzahl an Charakteren viel und gestaltet die kaum nachvollziehbare Fallaufklärung ein wenig abstrus.
 
"Kaltherz" ist spannend und wendungsreich und auch die unterschiedlichen Perspektiven sind individuell herausgearbeitet, die polizeilichen Ermittlungen sind in dem Fall jedoch wenig authentisch und spielen in dem Thriller eine Nebenrolle.