Australien, 1979. Es ist Hochsommer, und in einem ruhigen Vorort schrubbt eine Hausfrau um 3 Uhr morgens Blut von den Fliesen ihres Badezimmerbodens. Ihr Ehemann verhält sich währenddessen bemerkenswert ruhig, wenn man bedenkt, dass er gerade ihren Nachbarn ermordet hat.
Als die Sonne aufgeht, verbreitet sich die Nachricht von Antonio Mariettis Tod wie ein Lauffeuer unter den Nachbarinnen, und mehr als eine der Frauen ist fest entschlossen herauszufinden, wer Antonio umgebracht hat. Doch die vielen gut gemeinten Bemühungen decken mehr Rätsel auf, als sie lösen. Denn hinter jeder Tür verbergen sich Geheimnisse - und die Identität des Mörders ist nur eines davon.
Rezension:
Im Januar 1979 wird in den Hügeln am Rande der Vorstadt Warrah Place der australischen Hauptstadt Canberra ein abgetrennter Fuß aufgefunden und von einem Nachbarn als der Fuß von Antonio Marietti, einem Einwanderer aus Italien, identifiziert, der Gelegenheitsarbeiten in der Nachbarschaft übernommen hat. Ermittlungen der Polizei ergeben, dass der Fuß post mortem entfernt wurde, weshalb von Mord ausgegangen wird.
Die 12-jährige Tammy, die sich von ihrer Mutter vernachlässigt fühlt und in der Schule gemobbt wird, versucht auf eigene Faust zu ermitteln und schnüffelt unerschrocken bei ihren Nachbarn herum.
Während sich die polizeilichen Ermittlungen über mehrere Wochen hinziehen und weitere Leichenteile in der brütenden Sommerhitze gefunden werden, misstrauen sich die Nachbarn gegenseitig und schüren Gerüchte. Jeder einzelne scheint etwas zu verbergen zu haben, aber nicht jedes Geheimnis hängt auch mit Antonios Tod zusammen.
Das Buch beginnt mit der Beseitigung von Blutspuren und scheint damit bereits das Ende vorwegzunehmen und offen zu legen, wer Antonio Marietti auf dem Gewissen hat. Doch je tiefer man hinter die Fassaden der einzelnen Häuser in der klaustrophobischen Sackgasse blickt, desto mehr Schuldige kommen in Betracht und lassen Zweifel entstehen, ob das Offensichtliche täuscht.
Auch wenn der Mord zentraler Ausgangspunkt der Handlung ist, treten die Ermittlungen in den Hintergrund. Während sich die Nachbarn kritisch beäugen und die Menschen beschuldigen, die am Rand der Gesellschaft stehen, erfährt man allmählich mehr über die Schicksale und die Geheimnisse, die einzelne Personen prägen. Die Versteckspiele und Ängste passen dabei ins Jahr 1979 und die gesellschaftlichen Konventionen der damaligen Zeit. Hierbei werden nicht nur in Bezug auf das Mordopfer, das noch nicht lange in Warrah Place lebte, Tabuthemen laut. Die Geschichte handelt von Rassismus, Homophobie, Transsexualität, patriarchalen Strukturen, Glaube, Mutterrolle, Kinderwunsch und der Sehnsucht nach Anerkennung.
Durch Rückblenden in die Monate davor kann spekuliert werden, wie es zu der Tat kommen konnte.
Die Geschichte ist vielseitig und voller interessanter Charaktere. Es ist trotz des Mordfalls kein Krimi oder Thriller, sondern ein fesselndes Porträt einer Kleinstadt mit Vorurteilen und Angst vor dem Fremden, in der jeder leicht zum Verdächtigen werden kann, wenn ein Mörder auf freiem Fuß ist. Auch wenn die Eingangsszene viel verrät, ist die Geschichte bis zur Aufklärung spannend und überrascht am Ende mit einem Twist, der dem Roman noch mehr Raffinesse verleiht.
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